Gefährliches Geheimnis
Behaglichkeit und Privatsphäre willen hierher zurückzog oder um sich mit Gästen oder der Familie zu unterhalten und sich am Abend zu entspannen.
Innerhalb von Minuten gesellten sich Josef und Magda Beck zu ihm. Monk war verblüfft, wie ähnlich Kristian seinem Bruder war. Er hatte die gleiche Statur, etwa die gleiche Größe und einen schlanken, aber kräftigen Körper, einen breiten Brustkorb und saubere, gut manikürte Hände, die er bewegte, während er sprach. Auch sein Haar war dunkel und voll, aber seine Augen besaßen nicht die außergewöhnliche, klare Schönheit wie Kristians. Auch seine Züge hatten nicht Kristians Leidenschaft, und sein Mund war nicht so sinnlich.
Seine Frau Magda war blonder, obwohl ihre Haut immer noch einen olivfarbenen warmen Ton hatte und ihre Augen goldbraun waren. Sie war weniger hübsch als gefällig.
»Wie geht es Ihnen, Mr. Monk«, sagte Josef steif.
»Ihrem Brief entnahm ich, dass Sie ernste Nachrichten über meinen Bruder haben.« Er klang nicht verblüfft oder besorgt, aber vielleicht waren dies private Gefühle, die er einem Fremden gegenüber nicht offenbaren wollte. Falls Magda anders empfand, dann war sie zu pflichtbewusst, seinem Beispiel nicht zu folgen.
Monk war mit sich übereingekommen, dass Offenheit bis zu einem gewissen Punkt die Taktik war, die am
ehesten zum Ziel führte, und daher Kristian helfen konnte, falls dies möglich war.
»Ja«, sagte er ernst. »Ich bin mir nicht sicher, ob Sie wissen, dass seine Frau vor ungefähr drei Wochen gestorben ist …« Das Entsetzen in ihren Gesichtern verriet ihm, dass sie es nicht gewusst hatten. »Es tut mir Leid, dass ich Ihnen eine so tragische Nachricht überbringen muss.«
Magda war offensichtlich betrübt. »Das ist schrecklich. Wie geht es Kristian? Ich weiß, dass er sie sehr geliebt hat.«
Er forschte in ihrem Gesicht nach ihren eigenen Gefühlen. Wie gut hatte sie Elissa gekannt? Galt ihr Kummer Kristian oder auch ihrer Schwägerin? Er beschloss, den Rest der Geschichte für sich zu behalten, bis er sich mehr Gewissheit über ihre Beziehung verschafft hatte. »Er ist natürlich sehr schockiert«, antwortete er. »Es geschah so plötzlich und war äußerst schmerzvoll.«
»Es tut mir Leid«, sagte Josef steif. »Ich muss ihm schreiben. Es ist gut, dass Sie es uns gesagt haben.« Er äußerte keine Überraschung, dass Kristian es ihnen nicht selbst mitgeteilt hatte. Das weckte in Monk ein Gefühl der Beklommenheit. Er dachte an seine Schwester Beth in Northumberland und wie selten er ihr schrieb. Er hatte die Verbindung abreißen lassen, zunächst dadurch, dass er den Norden verließ, dann, indem er ihre Briefe nur oberflächlich beantwortete und nichts von sich berichtete außer den nackten Tatsachen. Er hatte keine Gefühle offenbart und weder Freude noch Schmerz mit ihr geteilt, ihr keine Einzelheiten geschrieben, die ein lebendiges Bild seines Lebens vermittelt hätten. Das hatte er so lange betrieben, dass Beth inzwischen nur noch an Weihnachten und Geburtstagen schrieb wie jemand, dem man die Tür zu oft vor der Nase zugeschlagen hat.
Das Gespräch schien beendet zu sein. Sie nahmen an, er
hätte sie nur aufgesucht, um sie von Elissas Tod in Kenntnis zu setzen. Im nächsten Moment würden sie sich höflich von ihm verabschieden. Er musste mehr sagen, um sie zu einer Reaktion zu zwingen. »Es ist nicht so einfach«, sagte er ein wenig abrupt. »Mrs. Beck wurde ermordet, und die Polizei hat Kristian verhaftet.«
Das provozierte jedenfalls die emotionalen Reaktionen, auf die er gehofft hatte. Magda sank, nach Atem ringend, auf das Sofa hinter ihr. Josef wurde kreidebleich und schwankte, ohne seine Frau zu beachten.
»Gütiger Himmel!«, sagte er scharf. »Das ist ja schrecklich!«
»Armer Kristian«, flüsterte Magda und schlug die Hände vors Gesicht. »Wissen Sie, was passiert ist?«
»Nein«, erwiderte Monk nicht ganz wahrheitsgemäß.
»Ich glaube, der Anfang und vielleicht auch das Ende könnten hier in Wien liegen.«
Josef hob den Kopf. »Hier? Aber Elissa war Engländerin, sie leben seit neunundvierzig in London. Warum hier? Das ergibt überhaupt keinen Sinn.«
Magda sah Monk an. »Aber Kristian hat es nicht getan, oder?«
Es war ein Aufschrei, fast eine Kampfansage. »Ich weiß, dass er sehr leidenschaftlich ist, aber auf den Barrikaden kämpfen, sogar Menschen töten – Fremde … für die Sache größerer Freiheit –, ist doch etwas ganz anderes, als jemanden umzubringen, den
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