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Gefährliches Geheimnis

Gefährliches Geheimnis

Titel: Gefährliches Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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Meine Eltern schon. Ich meine, man muss höflich sein, aber es gibt bestimmte Dinge, die tut man nicht.«
    »Zum Beispiel?«
    »Also …« Ferdi war ein wenig unglücklich und schaute in den Rest seines Kakaos. »Man macht natürlich Geschäfte mit ihnen – viele Bankiers sind Juden –, aber man bittet sie nicht zu sich nach Hause oder in seinen
    Club oder zu einer ähnlichen Gelegenheit.«
    »Warum nicht?«
    »Warum nicht? Also … wir sind Christen! Sie glauben nicht an Christus. Sie haben ihn gekreuzigt.«
    »Vor eintausendachthundert Jahren«, betonte Monk.
    »Das war niemand, der jetzt noch lebt, ob Jude oder sonst was.« Er wusste, dass er unhöflich war. Ferdi wiederholte nur, was man ihm beigebracht hatte. Er war nicht in der Lage, die Gründe dafür zu erforschen, ebenso wenig wusste er, wo in der Geschichte der Gesellschaft er danach suchen sollte oder woher das Bedürfnis nach Glauben und Rechtfertigung kam, um so etwas rational zu erklären. Monk schämte sich, und doch fuhr er fort: »Sehen viele Menschen das so?«
    »Alle, die ich kenne«, antwortete Ferdi und verzog das Gesicht. »Zumindest behaupten sie es. Ich nehme an, das ist das Gleiche … nicht wahr?«
    Darauf hatte Monk keine Antwort. Diese Haltung der Gesellschaft war eine weitere Facette von Kristians Vergangenheit, die Monk nicht erwartet hatte und die er nicht in Einklang brachte mit dem Mann, den er kannte, oder zu kennen glaubte. Vielleicht teilte Kristian Josefs Standpunkt auch gar nicht.
    Monk bestellte Kaffee für sich und Ferdi und vergaß ganz, dass sie vorher Kakao getrunken hatten.
    Ferdi lächelte, sagte jedoch nichts.

11
    Der Prozess gegen Kristian Beck begann unter regem öffentlichem Interesse. Es war eigentlich kein Cause célèbre. Er war nicht berühmt und bei weitem nicht der erste Mann, der angeklagt wurde, seine Frau umgebracht zu haben. Mit dieser Anklage war man vertraut, und nicht wenige empfanden ein gewisses Mitgefühl. Zumindest hielten sich die Leute mit ihrem Urteil zurück, bis sie erfuhren, was die Frau getan hatte, um ihn zu einer solchen Tat zu treiben. Die Anklage, auch Sarah Mackeson umgebracht zu haben, war eine andere Sache. Die Meinungen über ihren Lebensstil, ihre Werte und Moral gingen auseinander. Es gab Menschen, für die sie kaum etwas Besseres war als eine Prostituierte, dennoch erfüllte die Brutalität ihres Todes sie mit Abscheu.
    Das erste Bild von Elissa, das die Zeitungen nach einer von Allardyces besten Skizzen veröffentlichten, bewirkte bei den meisten einen Meinungsumschwung. Jegliche Nachsicht und jegliches Mitleid mit dem Beschuldigten lösten sich in Luft auf. Die Schönheit ihres Antlitzes mit seinem Hauch von Tragik bewegte Männer und Frauen gleichermaßen. Wer ein solches Geschöpf tötete, musste ein Ungeheuer sein.
    Charles war bei Hester, als sie die Zeitung sah. Sie hatte Monks Beschreibung von Elissa gehört, aber diese hatte sie in keiner Weise vorbereitet. Sie standen in ihrem Vorder- zimmer, das seines Lebens beraubt war, denn Monk war in Wien und würde weder heute Abend, noch morgen, noch zu einem bereits festgesetzten Datum zurückkehren. Sie war beunruhigt darüber, wie sehr sie ihn vermisste. Die kleinen Hausarbeiten, die sie jeden Tag erledigen musste,
    hatten ihren Sinn verloren, und es war niemand da, mit dem sie ihre Gedanken, gute wie schlechte, teilen konnte.
    Charles war zu Besuch gekommen, weil er sich immer noch verzweifelte Sorgen um Imogen machte, aber er war auch besorgt um Kristian und natürlich auch um Hester.
    »Ich war mir nicht sicher, ob ich die Zeitung überhaupt mitbringen sollte«, sagte er und warf einen Blick auf die aufgeschlagenen Seiten auf dem Tisch. »Aber ich dachte mir, irgendwann würdest du es sowieso sehen … und es wäre vielleicht leichter, wenn ich hier wäre …« Er wirkte verlegen bei seiner Vermutung. »Damit du jemanden bei dir hättest.«
    »Danke«, sagte Hester aufrichtig. Seine Rücksicht rührte sie. Er gab sich große Mühe, die Hand über den Abgrund auszustrecken, den sie beide zwischen sich hatten wachsen lassen. »Ich bin froh, dass du hier bist.« Ihr Blick wanderte wieder zu Elissas Bild. »William hat versucht, sie mir zu beschreiben, aber auf ein Gesicht, das mich so sehr berühren würde, war ich nicht gefasst.« Sie sah ihn an.
    »Ich habe sie nie kennen gelernt, und ich habe mir wohl jemanden vorgestellt, den ich nicht mögen würde, weil sie in meinen Gedanken …« Sie unterbrach sich. Callandras geheime

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