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Gefährliches Geheimnis

Gefährliches Geheimnis

Titel: Gefährliches Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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wie Runcorn den Stoff hielt, wie seine Finger den Stoff berührten, strafte diesen Gedanken Lügen.
    Monk beugte sich über sie und betrachtete die sehr feinen, kaum verfärbten Male in der weichen Haut.
    »Zu schnell tot, als dass es dunkle Flecken hätte geben können«, erklärte Runcorn unnötigerweise.
    »Ich weiß!«, fuhr Monk ihn an. »Sieht aus, als hätte sie ein bisschen gekämpft.« Er hob eine schlaffe Hand hoch und schaute nach, ob sie den Mörder vielleicht gekratzt hatte, aber weder war ein Fingernagel beschädigt, noch fand sich darunter Haut oder Blut. Er legte die Hand ab und schaute sich die andere an, aber auch dort fand er nichts.
    Runcorn beobachtete ihn schweigend, und als Monk fertig war, zog er das Laken wieder hoch und ging zum nächsten Tisch. Auch dort hob er das Laken vom Gesicht und den Schultern der Frau.
    Monks erste Reaktion war Wut darüber, dass Runcorn so nachlässig war. Warum hatte er sich nicht sorgfältig vergewissert, dass er auch die richtige Leiche entblößte? Das konnte nicht Kristian Becks Frau sein. Sie war sehr schlank und musste ungefähr so groß gewesen sein wie Kristian. Ihr dunkles Haar zeigte keine Spur von Grau, und ihr Gesicht war, auch ohne Lebensfunke darin, schön. Ihre Züge waren zart, fast ätherisch, und doch gequält von einer Leidenschaft, die auch hier, an diesem seelenlosen Ort mit seiner feuchten Luft und seinem Geruch nach Karbol und Tod, noch zu spüren war.
    Er scherte sich nicht den Deut um das, was Runcorn über sie dachte, und doch blickte er auf, um ihn anzusehen.
    Runcorn beobachtete ihn. Hinter dem Kummer und der Unsicherheit in seinen Augen blitzte plötzlich ein triumphierendes Glitzern auf. »Sie haben sie nicht gekannt, nicht wahr? Sie haben jemand anderen erwartet. Lügen Sie mich nicht an, Monk!«
    »Ich habe nicht behauptet, sie zu kennen«, antwortete
    Monk.
    »Ich kenne ihren Mann.«
    Die Genugtuung verflüchtigte sich aus Runcorns Miene.
    »Er steht noch zu sehr unter Schock, um eine klare Aussage zu machen, aber wir müssen ihn noch einmal befragen. Das ist Ihnen doch klar?«
    »Selbstverständlich!«
    »Deswegen sind Sie eigentlich hier, nicht wahr? Sie haben Angst, dass er es war! Dass er sie mit Allardyce erwischt und sie umgebracht hat.« Seine Stimme war schroff, als ärgerte er sich über seine Verletzlichkeit und fügte sich noch mehr Schmerzen zu, indem er etwas sagte, bevor jemand anders das tun konnte.
    Aber ihr Gesicht hatte solch eine Wirkung auf andere Menschen. Es war das Gesicht einer Träumerin, einer Idealistin, eines sehr lebendigen Menschen, und es berührte eine Stelle tief im Innern, sie tot zu sehen. Monk schaute auf und begegnete Runcorns wütendem Blick mit seiner eigenen Wut. »Ja, natürlich fürchte ich, dass er es getan haben könnte! Wollen Sie behaupten, das ist Ihnen gerade jetzt erst aufgegangen?«
    Jetzt hatte Runcorn die Wahl, ja zu sagen und als Idiot dazustehen, oder nein zu sagen und zuzugeben, dass er keinen Grund dafür angeben konnte, warum er seine Meinung bezüglich Monks Hilfe geändert hatte. Er wählte die zweite Möglichkeit, und zwar ohne lange darüber nachzudenken, was Monk verriet, wie besorgt er war.
    »Auch ihr hat man das Genick gebrochen«, sagte er entschieden. »Und zwei Fingernägel sind abgebrochen. Sie hat Widerstand geleistet. Ich wette, jemand hat ein paar blaue Flecke und vielleicht ein oder zwei Kratzer … und« – er zeigte auf ihr rechtes Ohr und strich das Haar zurück, um Monk die verletzte Haut zu zeigen, wo man ihr einen Ohrring herausgerissen hatte – »das da.«
    »Haben Sie ihn gefunden?«, fragte Monk.
    »Nein. Wir haben alles abgesucht, sogar die Ritzen zwischen den Dielen, nichts.«
    »Haben Sie Allardyce durchsucht?«, fragte Monk schnell. Er zitterte vor Wut, dass diese Frau getötet worden war, und war gleichzeitig verwirrt, dass sie so ganz anders war, als er sie sich vorgestellt hatte.
    »Selbstverständlich!«, sagte Runcorn gereizt. »Nichts! Zumindest nichts von Bedeutung. Er hat merkwürdige Schnitte und Kratzer an den Händen, aber er behauptet, die hätte er immer, von Streichmessern und Klingen zum Zuschneiden der Leinwand, Nägeln und anderen Sachen, um sie aufzuziehen, und so weiter. Er meinte, wir sollten andere Künstler fragen, die würden das Gleiche sagen. Er schwört, dass er sie an dem Abend nicht gesehen, geschweige denn sie umgebracht hat. Sieht aus, als würde ihn die Sache mitnehmen, und wenn er das nur schauspielert, dann

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