Gefährliches Geheimnis
unverheiratete Frauen hatten Besitz.
»Verstehe«, sagte sie sehr leise.
»Tun Sie das?«, wollte er wissen. »Er nahm sie mit nach Europa, zuerst nach Paris, dann nach Italien. Wir wussten nicht, dass er alles ausgab und ihr kaum ein Dach über dem Kopf ließ und dass sie sich von dem Wenigen ernährte, was mitleidige Freunde ihr brachten, von denen die meisten kaum mehr besaßen als sie. Und sie war zu stolz, um uns zu erzählen, dass der Mann, den sie liebte, ein Verschwender war, der sie in jeder Hinsicht verlassen hatte. Sie starb in Neapel, allein und mittellos.«
Callandra empfand den Verlust, als hätte Pendreigh ihn körperlich auf sie übertragen. Ihre Phantasie zeichnete ein schreckliches Bild der Frau auf dem Porträt, mager und
ausgezehrt, von Fieber gequält, schwitzend, mit blutleeren Lippen und geröteten Wangen, allein in einem spärlich möblierten Zimmer in einem fremden Land.
»Es tut mir so Leid«, sagte sie flüsternd. »Es überrascht mich nicht, dass Sie das nicht vergessen … oder vergeben können. Ich glaube, das könnte ich auch nicht.«
»Deshalb kämpfe ich darum, dass Frauen das Recht auf ihren Besitz behalten«, sagte er schroff. »Das Gesetz ist blind. Es gewährt ihnen keinerlei Schutz. In der Öffent- lichkeit tun wir so, als würden wir unsere Frauen ehren und schätzen, ihnen Sicherheit vor der Härte der Welt bieten, vor der Dunkelheit und den schäbigen Kämpfen in Wirtschaft und Politik, dem Gebrauch und Missbrauch von Macht – und doch lassen wir zu, dass ihre Ehemänner sich an dem bereichern, was zu ihrem Schutz vor Hunger und Armut hätte dienen sollen. Und das Gesetz tut nichts!«
»Ein Gesetz, das es verheirateten Frauen erlaubt, ihren
Besitz zu behalten?«, fragte sie und begriff plötzlich.
»Ja! Sowohl ererbtes, als auch selbst verdientes Geld. Das Schwein hat Amelie arbeiten lassen, um seine Zügel- losigkeit zu finanzieren, aber per Gesetz hatte er selbst dann noch das Recht auf ihren Lohn.« Die Schmach, die er empfand, lag greifbar in der Luft.
Callandra teilte Pendreighs Leidenschaftlichkeit nicht, denn sie war, anders als er, nicht persönlich damit in Be- rührung gekommen, aber sie empfand die Ungerechtigkeit als ebenso himmelschreiend wie er und die Notwendig- keit, diese zu beseitigen, als ebenso dringend. »Verstehe«, sagte sie und meinte es auch.
Er holte tief Luft, um etwas zu erwidern, dann sah er sie genauer an. »Ja, vielleicht. Bitte verzeihen Sie. Ich wollte es Ihnen gerade in Abrede stellen. Ich weiß, dass auch Sie für Reformen und sehr oft gegen außerordentliche
Blindheit gekämpft haben. Wir versuchen beide, diejenigen zu schützen, die verletzbar sind und jemand Starken brauchen, der sie verteidigt.« In seiner Stimme lagen Zorn und ein gewisser Stolz.
Callandra war froh, dies zu hören. Die Bereitschaft und der Mut zu kämpfen waren genau das, was sie brauchte, und in ihrem Mitleid für seinen Verlust schwang jetzt auch ein Hauch von Bewunderung mit.
»Haben Sie Hoffnung, etwas zu erreichen?«, fragte sie mit einigem Eifer.
Pendreigh lächelte leicht. »Ich habe den größten Teil meiner beruflichen Laufbahn darauf hingearbeitet, und ich glaube, dass Hoffnung in Sicht ist. Es wird eine Nachwahl geben. Wenn ich diese gewinne, kann ich sowohl Männern, als auch Frauen von Nutzen sein, obwohl die Männer das zunächst vielleicht nicht so sehen. Aber Gerechtigkeit ist doch ein Segen für alle, oder?«
»Natürlich«, stimmte sie ihm von ganzem Herzen zu.
Sie wurden unterbrochen, als das Mädchen das Tablett mit dem Tee brachte und diesen auf dem niedrigen Tisch servierte. Sie schenkte ein und ging.
Callandra war überrascht, wie angenehm das heiße, köstliche Getränk und die winzigen Sandwiches mit Gurke, Ei und Kresse waren, zudem gaben sie ihr Zeit, ihre Gedanken zu ordnen.
Sie musste den Zweck ihres Besuches zur Sprache bringen. Er konnte nicht einen Augenblick geglaubt haben, sie habe ihn besucht, um über den Kampf für eine gute Sache zu sprechen, wie dringend dieser auch sein mochte.
Sie stellte ihre Tasse ab. »Wie Sie wissen, habe ich Mr. Monk engagiert, um alles herauszufinden, was in der Acton Street passiert ist.« Es war eine äußerst taktvolle Formulierung, und in dem Augenblick, in dem die Worte
ihr über die Lippen kamen, wünschte sie sich, sie wäre freimütiger gewesen. »Ich fürchte, dass vieles von dem, was er herausgefunden hat, nicht dem entspricht, was Sie oder ich erwartet haben.«
Sie hatte
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