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Gefährliches Geheimnis

Gefährliches Geheimnis

Titel: Gefährliches Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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gesehen, wenn sie ihren Mann ins Ausland begleitet hatte. Als Frau eines Militärarztes hatte sie mit anderen Frauen von Militärs in verschiedenen Stützpunkten in Europa verkehrt, und sie hatte oft Verletzten oder Kranken Beistand geleistet. Sie hatte keine praktische Ausbildung wie Hester, aber ihr Verstand war ihr von Nutzen, und Erfahrung hatte sie den Rest gelehrt. Ihr Mann war vor dem Krimkrieg gestorben, sonst hätte sie auch diesen schrecklichen Konflikt miterlebt.
    »Nicht Max«, beharrte Kristian, aber in seinen Augen lag nicht mehr so viel Sicherheit, und er wusste, dass sie es gesehen hatte.
    »Er hat sie geliebt«, wiederholte er. »Callandra …«
    Sie konnte es nicht länger aufschieben. Der Constable kam jeden Moment zurück. »Warum hat sie sich mit ihm getroffen?«, fragte sie.
    Er zuckte zusammen. Seine Stimme war sehr leise. »Ich weiß nicht. Ich habe erst bei der Beerdigung erfahren, dass er in London war.«
    »Ich nehme an, Sie wussten auch nicht, dass er dieses
    Jahr schon öfter in London war?«
    Er wollte es leugnen, hielt jedoch inne, als er begriff, dass sie die Wahrheit sagte.
    »Er war vorher schon mindestens zweimal hier«, erklärte sie ihm. »Er hat sich mit Elissa getroffen, nicht mit Ihnen. Verlangt das nicht nach einer Erklärung?«
    Kristians Gesicht war aschfahl. Sie konnte nur vermuten, wie sehr der Gedanke, Max könnte schuld sein, ihn ver- letzte. Es war neben dem Verlust auch noch ein doppelter Betrug, aber sich jetzt davon abzuwenden, änderte nichts, es hätte die Wahrheit nur noch einen Schritt weiter weggerückt und sein Leben noch mehr in Gefahr gebracht. Sie konnte diese Worte aussprechen und sich gleichzeitig weigern, sich auszumalen, was sie bedeuteten. Zumindest konnte sie es sich, während sie redete und überlegte, was sie tun sollte, vom Leibe halten.
    »Wenn nicht Max Niemann, wer dann?«, wollte sie wissen. Ihre Stimme klang entschieden, fast feindselig.
    »Kristian! Es ist keine Zeit, Geheimnisse zu hüten!«
    Er machte große Augen. »Ich weiß nichts! Um Himmels willen, Callandra, ich habe keine Ahnung! Sie kam und ging, ich sah sie kaum! Früher waren wir Verbündete in einer großartigen Sache, Freunde und Geliebte. In den letzten zwei oder drei Jahren waren wir Fremde, die sich im gleichen Haus trafen und leere Phrasen austauschten. Ich war völlig in meine eigenen Probleme vertieft, und ich wusste, dass ihre Dämonen uns beide in den Abgrund rissen, aber ich wusste nicht, was ich dagegen tun sollte, und ich tat zu wenig, um es herauszufinden.«
    Die nackte Schuld stand ihm in den Augen. Sie sah es und konnte nichts dagegen tun. Vielleicht hatte er absichtlich etwas verschwiegen, was schwierig und gefährlich war und von dem er fürchtete, es könnte einen Teil von ihm zer- fressen. Vielleicht war Elissa ganz genauso einsam gewesen
    wie er und gleichermaßen unfähig, etwas dagegen zu tun. Nicht, dass das eine Entschuldigung gewesen wäre.
    Elissa hatte keine Beschäftigung gehabt, bei der sie ihre
    Leidenschaft und ihre Klugheit einsetzen und mit der sie ihre Zeit ausfüllen konnte. Noch vor einer Stunde hätte Callandra sich nicht vorstellen können, tiefes und schmerzliches Mitleid mit Elissa Beck zu empfinden, wie sehr sie auch ihre Talente vergeudet hatte. Aber jetzt konnte sie sich des Mitleids nicht erwehren, ebenso wenig wie sie Kristian gänzlich von Schuld freisprechen konnte, trotz ihrer wütenden Worte.
    Er sah es in ihrer Miene. Er versuchte nicht, dem auszuweichen, sondern akzeptierte die unausgesprochene Veränderung.
    »Ich bitte William, nach Wien zu fahren«, sagte sie noch einmal.
    Er wollte gerade etwas sagen, da hörten sie die Schritte des Constables laut und deutlich im Korridor. Es blieb keine Zeit mehr für irgendetwas außer ein kurzes Aufwiedersehen, bevor sie hinaus und die Treppe hinauf zum Eingang begleitet wurde. Sie stand auf der Straße im Sonnenlicht und inmitten der Alltagsgeräusche von Pferden und Rädern und Menschen, die riefen und drängelten. Das Leben ging weiter.
    Sie suchte ihre Kutsche und gab Befehl, direkt zu Monks
    Haus in der Grafton Street zu fahren.
    Er war, wie erwartet, zu Hause. Es war erst früher Nachmittag, und sie hatten bislang noch keinen Plan, noch keine Ideen, die sie verfolgen konnten.
    Auch hier verzichtete Callandra auf die üblichen
    Höflichkeiten. Sobald die Tür geschlossen war, fing sie an.
    »Ich wüsste nicht, was wir anderes tun sollten, als Max
    Niemann zu folgen«, erklärte sie

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