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Gefährliches Geheimnis

Gefährliches Geheimnis

Titel: Gefährliches Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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auf!«, sagte sie scharf. »Versuchen Sie nicht, höflich zu sein! Wir müssen über wichtige Dinge sprechen. Wie die Dinge liegen, geht eine halbe Stunde viel zu schnell vorbei.« Sie sah Erleichterung in seinen Augen, und dann Angst, echte, tiefe Angst, die ihr ins Herz stach. Es erschütterte sie sehr, aber bevor sie darauf reagieren konnte, bot Kristian alles auf, um seine Gefühle wieder zu verbergen.
    Sie versuchte zu schlucken, aber ihr Mund war trocken. Man konnte sich nirgendwo hinsetzen, außer aufs Bett,
    und darauf würde sie sich nicht setzen.
    »Oliver Rathbone ist in Italien, also hat Pendreigh angeboten, Ihre Verteidigung zu übernehmen«, sagte sie kurz angebunden.
    Er atmete überrascht ein, unsicher, ob er sie richtig verstanden hatte und ob er es glauben sollte.
    »Er ist überzeugt, dass Sie nicht schuldig sind«, fügte sie hinzu.
    Bitterkeit erfüllte seine Miene, und er wandte sich von ihr ab. »Nicht schuldig«, wiederholte er die Worte leise. »Nicht schuldig wessen? Ich habe ihr gewiss nicht die Hände um den Hals gelegt und zugedrückt. Ich war bei einer Patientin. Ich habe mich vielleicht in der Zeit geirrt, aber nicht in den Fakten.« Seine Stimme wurde immer tiefer und war voller Bitterkeit. »Aber bin ich ›nicht schuldig‹, sie ignoriert zu haben, zugelassen zu haben, dass sie immer tiefer und tiefer dem Spiel verfiel, Schulden machte und die Art von verzweifelter Langeweile empfand, die sie in Allardyces
    Atelier trieb, allein, wo sie umgebracht werden konnte?« Callandra wollte ihm widersprechen. Es war absurd, die
    Verantwortung für die Schwäche eines anderen zu über-
    nehmen, aber die Anspannung in seiner Stimme sagte ihr, dass das für ihn wichtiger war als seine Haft und seine eigenen Umstände. Vielleicht war es leichter, über eine solche Schuld nachzudenken als über die Zukunft und die Anschuldigungen, denen er sich vor Gericht stellen musste.
    Er straffte die Schultern, wandte ihr aber immer noch nicht das Gesicht zu. Seine Stimme zitterte, als er weiter- sprach: »In Wien war sie so voller Leben. Im Vergleich zu ihr sahen alle anderen Frauen grau aus. Sie wäre dort geblieben, wissen Sie? Ich war es, der genug hatte und nach England wollte.«
    Callandra sagte nichts. Sie spürte, dass er das Bedürfnis hatte zu reden; sie war nur die Zuhörerin für etwas, was er zu sich selbst sagte, vielleicht zum ersten Mal in Worte fasste.
    »Sie wäre nach Paris gegangen, Mailand, Rom, irgend- wohin, wo die Kämpfe weitergingen. Aber ich brachte sie hierher und machte eine Hausfrau aus ihr, die ihre Zeit damit verbringen sollte, Einkäufe zu bestellen und Klatsch über die täglichen Nichtigkeiten des Lebens aus- zutauschen, das in ihren Augen vollkommen sicher und geordnet war und in dem es nichts gab, um das man kämpfen musste!«
    »Was für ein absoluter Unsinn!«, explodierte Callandra wütend. »Es gibt sehr viel, gegen das man kämpfen muss. Und das wissen Sie, selbst wenn sie es nicht wusste! Es gibt Ignoranz und Schmerz zu bekämpfen, Verbrechen, Selbstsucht, häusliche und soziale Gewalt, Vorurteile, Autorität, Bigotterie und Unrecht jeglicher Art und Färbung. Und wenn all das bezwungen ist, können Sie
    immer noch versuchen, sich der Armut, dem Wahnsinn und dem ganz gewöhnlichen Schmutz zuzuwenden! Wenn Ihnen das aber zu groß und ungewiss erscheint, wie wäre es dann mit ganz gewöhnlicher Einsamkeit und Angst vor dem Tod, hungrigen Kindern, denen niemand sagt, dass sie gut sind … und einsamen alten Menschen, die von uns anderen, die wir es stets zu eilig haben und die wir zu beschäftigt sind, zuzuhören, allzu leicht übersehen werden? Wenn sie das nicht aufregend und ruhmvoll genug fand, ist das nicht Ihre Schuld!«
    Er wandte sich langsam zu ihr um, und einen Augenblick lang überschattete die Überraschung in seinem Gesicht alles andere.
    »Ehrlich bis zum Letzten«, sagte er. »Sie sind wirklich wütend! Lassen Sie mich Ihnen wenigstens danken, dass Sie mir nicht mit falschen Tröstungen kommen. Aber ich habe sie nicht beachtet. Ich kannte sie, und wenn ich mehr an sie und weniger an mich gedacht hätte, hätte ich nicht versucht, sie zu ändern. Ihr Glücksspiel war außer Kon- trolle geraten, und ich habe nichts dagegen unternommen. Ich habe natürlich mit ihr gestritten. Ich habe sie angefleht, ihr gedroht, vernünftig mit ihr geredet. Aber ich habe nicht nach dem Grund gesucht, denn das hätte bedeutet, dass auch ich mich hätte ändern müssen, und

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