Gefaehrliches Schweigen
heruntergelassen, hatte zitternd im Dunkeln gesessen, konnte an nichts anderes mehr denken als an die stummen, drohenden Gestalten. Als sie dann begannen, Forderungen zu stellen, hatte er nichts anderes gewagt, als ihnen zu gehorchen. Aber es wurde nur noch schlimmer.
Heute erwarteten sie ihn, als er von der Schule nach Hause kam, und zwangen ihn, sie ins Haus zu lassen. Sie wussten natürlich, dass er allein zu Hause war.
Ein paar hielten ihn fest, andere suchten. Er glaubte, sie würden den PC und den DVD-Player mitnehmen, Geld und den Schmuck seiner Mutter, als Strafe, weil es ihm nicht gelungen war, noch einmal in Frau Asps Haus einzudringen. Seine Mutter hatte dafür gesorgt, dass das Fenster repariert wurde, nachdem Svea dort hineingeklettert war.
Diese verdammte Svea, die sich in alles einmischen musste!
D en Tränen nahe überlegte er schon, wie er seinen Eltern das Verschwinden dieser Sachen erklären sollte. Sie würden durchdrehen.
Aber seine Quälgeister hatten nicht die Kostbarkeiten der Familie angeschleppt.
Nein, viel, viel schlimmer.
Sie kamen mit seinem Kaninchen.
Stampe baumelte kopfüber an den Hinterpfoten, die einer von ihnen mit festem Griff gepackt hielt. Seine großen braunen Augen waren vor Entsetzen weit aufgerissen. Er wand sich in dem Versuch, sich zu befreien. Sie wieherten laut wie über einen Witz. Sie machten sich über den hilflosen Kampf des Tieres lustig und spotteten darüber, dass Simon ein solches Haustier hatte. Einer von ihnen zog das Kaninchen fest an den langen Ohren. Es stieß einen schrillen Jammerlaut aus.
Im selben Moment sah Simon das Messer. Es war lang und scharf.
Sein Schrei hallte wie ein Echo auf das Aufheulen des Kaninchens durchs Zimmer.
„Neein!“
Er schrie und schluchzte. In Erinnerung an das grauenhafte Foto flehte er weinend um Stampes Leben, versprach, alles zu tun, einfach alles!
Die folgenden Sekunden waren endlos lang. Simon weinte mit offenem Mund.
Schließlich nickte einer von ihnen. Stampe fiel mit den Vorderpfoten voraus auf den Boden und hoppelte taumelnd in die Küche, um Schutz zu suchen.
Aber noch war es nicht vorbei. Das begriff Simon in dem Augenblick, als sie ihn umringten. Einer von ihnen trat vor und schlug zu.
Simon ertrug den Schlag, ohne zu schreien, ohne einen einzigen Laut von sich zu geben, obwohl es höllisch wehtat. Etwas Warmes rann ihm über die Stirn und ließ die drohenden Gestalten um ihn herum verschwimmen.
Als sie gegangen waren, setzte er sich mit tropfender Nase auf den Stuhl in der Diele und wischte sich das Blut mit dem Handrücken ab. Das eiskalte Entsetzen steckte wie ein Kloß, der nicht schmelzen wollte, noch in ihm.
E rst als er Stampe in der Küche rascheln hörte, vergaß er seine eigene Angst und ging hin. Das Kaninchen hatte sich hinter einem Schrank versteckt. Simon versuchte es hervorzulocken, aber Stampe hatte noch einen Schock und würde sich wohl erst Stunden später wieder hervortrauen.
Simon wünschte, er könnte die Schule wechseln, in eine andere Stadt fliehen. Aber das war nicht so einfach.
Ihm fiel keine Möglichkeit ein, ihnen zu entkommen.
Es blieb ihm nichts anderes übrig, als Sekunden, Minuten, Stunden und Tage zu durchleiden. Und das zu tun, was sie verlangten.
Vielleicht würde es irgendwann einmal ein Ende nehmen.
Doch so weit in die Zukunft konnte er nicht denken.
FREITAG
Zur allgemeinen Verwunderung kam Natalie am folgenden Tag in die Schule. Warum sie überhaupt auf das Dach geklettert war, würde vermutlich ein Rätsel bleiben. Plötzlich beanspruchte ein neuer Vorfall die allgemeine Aufmerksamkeit.
Simon kam mit einem leuchtend blauen Veilchen ins Klassenzimmer. Er sah richtig übel zugerichtet aus.
Die Schadenfreude blubberte in mir hoch. Zum zweiten Mal hatte der Engel der Rache meine Partei ergriffen.
Aber nach der ersten Stunde wurde mir klar, dass hinter meinem Rücken getuschelt wurde und die anderen mich seltsam ansahen.
Irgendwie ängstlich.
Als wäre ich die Schuldige!
Meine Freude verwandelte sich in Sorge.
„Glauben die etwa, ich hätte Simon geschlagen?“, fragte ich Jo.
„Wahrscheinlich.“
„Und warum?“
„Einfache Rechnung. Du hast geschworen, dich zu rächen. Irgendjemand hat Simon vermöbelt. Tädärätääää!“
Sie machte eine Geste, als hätte sie ein Kaninchen aus ihrer Jeanstasche gezaubert.
Ich starrte düster vor mich hin. Ich war eine Brandstifterin. Eine Diebin. Und außerdem verprügelte ich andere Leute.
In der
Weitere Kostenlose Bücher