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Gefaehrliches Schweigen

Gefaehrliches Schweigen

Titel: Gefaehrliches Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ritta Jacobsson
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Unterschied zwischen UN und EU zu erläutern. Ich hatte meinen Wissensdurst für den Tag gestillt und widmete mich wichtigeren Dingen.
    Meinem Tagebuch.
    Ab und zu hob ich den Kopf, sah Lundström an und tat so, als würde ich zuhören.
    „… die Vereinten Nationen haben viel von ihrer Macht verloren, weil ihre Hauptmitglieder ihr Vetorecht ausüben, obwohl gleichzeitig ausgerechnet zwischen diesen Ländern Konflikte und Zusammenarbeitsprobleme bestehen. Ein Beispiel ist der USA /Irak-Konflikt …“
    Gäähn.
    Übrigens, was Konflikte betrifft, liebes Tagebuch …
    Ich schrieb mit Feuereifer, die Zungenspitze im Mundwinkel, hatte schon Natalies waghalsige Klettertour geschildert und war zu meinem nicht vorhandenen Liebesleben hinübergeglitten, als ich spürte, dass mir jemand in den Nacken schnaubte, genau wie Wuff es immer zu tun pflegt.
    „Was hat er über den Irak gesagt?“, flüsterte Simon.
    „Weiß ich nicht.“
    „Aber du hast es doch aufgeschrieben?“
    „Nja.“
    „Was schreibst du denn da?“
    „Nichts.“
    Ich bedeckte den Text schnell mit den Händen, falls er auf die Idee kommen sollte, heimlich zu spicken. Er hatte sich von meinem fleißig kritzelnden Stift täuschen lassen.
    „Zeig her!“
    Per Lundström leierte weiter:
    „… die immer engere Zusammenarbeit der EU -Länder vergrößert die Möglichkeit für ein starkes Europa mit Freihandel …“
    Da machte Simon etwas, auf das ich nicht vorbereitet war. Er beugte sich blitzschnell vor und schnappte sich mein Tagebuch.
    „Lass das!“, schrie ich.
    Lundström zuckte sichtbar zusammen. Er schien zu glauben, ich hätte ihn gemeint.
    „Gib her!“
    Ich fuhr auf Simon los, aber er beugte sich nach hinten, mein Tagebuch hoch überm Kopf.
    „Svea und Simon!“, herrschte Lundström uns an. „Was treibt ihr da eigentlich!“
    „Ich wollte mir bloß Sveas Notizen ausleihen“, verteidigte sich Simon.
    „Ja, ich habe bemerkt, dass du fleißig mitschreibst“, sagte Lundström und nickte mir zufrieden zu. „Dürfen wir mal hören, was du geschrieben hast?“
    „Nein!“, brüllte ich.
    „… ob er mich wohl genauso gernhat wie ich ihn“, las Simon laut vor.
    Ich warf mich auf ihn. Im selben Moment packte Micke meine Arme und hielt mich auf meinem Platz fest, während Simon weiterlas:
    „Ich bin so verliebt …“
    „Hööör aauf!“
    Ich war außer mir und wand mich in Mickes eisernem Griff, während die ganze Klasse uns anstarrte. Es war so peinlich, dass ich am liebsten gestorben wäre!
    „Hör auf damit, Simon!“, befahl Per Lundström. „Und Micke, du lässt …“
    Im selben Moment holte ich tief Luft, spannte die Muskeln an und rammte Micke meinen Ellenbogen an den Kopf.
    Er ließ mich sofort los.
    „Auuu! Spinnst du?!“
    Micke war mir egal. Ich warf mich auf Simon und riss ihm mein Tagebuch aus den Händen.
    „Du stinkende, ekelhafte, miese Ratte“, stieß ich zischend zwischen den Zähnen hervor, wie im Film. „Weißt du überhaupt, was für ein Loser du bist! Das hier wirst du mir büßen!“
    Micke hob besänftigend die Hände.
    „Simon hat doch bloß Spaß gemacht. Wo bleibt dein Humor?“
    Ich keuchte heftig, ohne Simon aus den Augen zu lassen.
    „Das wirst du noch bereuen! Warte nur!“
    „Beruhige dich erst mal, Svea“, sagte Lundström. „Das war dumm von Simon, aber jetzt machen wir weiter. Wie gesagt …“
    Ich sah und hörte nichts mehr.
    Ich saß nur da und hasste Simon.
    Simon hatte sein Handy ausgeschaltet. So brauchte er wenigstens das Piepsen nicht zu hören, das ihm regelmäßig mitteilte, er habe eine neue SMS erhalten. Eine SMS, in der stand, was für ein Scheißkerl er sei. Ein Scheißkerl, der es nicht wert sei, weiterzuleben, wenn er nicht tat, was sie sagten.
    Mit den SMS-Nachrichten hatte alles angefangen. Dann kamen die aufdringlichen Blicke. Er wurde auf dem Schulhof angestarrt, wohin er auch ging. Sie beobachteten jeden Schritt, den er machte.
    Zum Schluss war er kurz davor durchzudrehen. Er wusste nicht, was er tun sollte. Niemand sonst merkte etwas. Sie rührten ihn nicht an, kamen nicht einmal in seine Nähe.
    Sie starrten bloß.
    Ein seltenes Mal, wenn die Pausenaufsicht durch irgendein Problem abgelenkt war, umringten sie ihn plötzlich. Wie eine menschliche Mauer. Er hatte keine Chance, ihnen zu entkommen.
    Sie begnügten sich nicht damit, ihn nur in der Schule zu bewachen. Bald standen sie wie dunkle, drohende Schatten auch vor seinem Haus.
    Er hatte die Jalousien

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