Gefaehrliches Schweigen
bedauerlich! Aber leider gibt es Menschen, die das Unglück anderer ausnützen, um ausgerechnet jene zu bestehlen, die eine helfende Hand anbieten. Auch bei Autounfällen und Bränden ist dies häufig zu beobachten.“
Die meisten Schüler hatten zwar nur gaffend dagestanden, anstatt Natalie eine helfende Hand anzubieten, aber niemand protestierte gegen seine Darstellung.
„Alle, die bestohlen worden sind, melden sich bitte beim Klassenlehrer oder bei mir. Wir werden eine gemeinsame Anzeige erstatten. Und wer die Schuldigen vielleicht kennt, möge bedenken, dass es die eigenen Mitschüler sind, die betroffen wurden! Nicht die Diebe müssen beschützt werden, sondern deren Opfer!“
Wenigstens in diesem Fall konnte niemand mich beschuldigen. Ich hatte inmitten der anderen auf dem Schulhof gestanden.
„Krass“, sagte Jo. „Alexander ist seinen Taschenrechner losgeworden.“
Aber ich musste daran denken, dass es ein merkwürdiges Zusammentreffen war. Natalie auf dem Dach. Und gleichzeitig diese Diebstähle.
War das wirklich ein Zufall?
Mama und ich hatten gerade den Tisch nach dem Abendessen abgeräumt, als es an der Tür klingelte.
„Das ist Papa“, sagte ich. „Er hat mir eine SMS geschickt, dass er seine Schlüssel vergessen hat.“
Mama kicherte.
„Dann weiß ich was!“
Wuff lief bellend in die Diele und Mama kam hinterher. Sie schob den Riegel zurück, öffnete aber nur einen kleinen Spaltbreit, damit Wuff die Tür mit der Schnauze aufstoßen konnte. Als Wuff sich hinausstürzte, begann Mama auf und ab zu hüpfen und mit dem Hund um die Wette zu bellen.
„Wau, wau, wau, hahaha!“
Ich hielt mich würdevoll abseits und schüttelte den Kopf.
Manchmal ist sie echt zu verrückt.
Die fremde Frau, die vor unserer Tür stand, fand das bestimmt auch.
Sie zuckte zusammen und trat ein paar Schritte zurück, während ihr Blick zwischen Mama und Wuff hin und her fuhr. Sie schien sich zu fragen, wer von beiden wohl am gefährlichsten sei.
Mama erstarrte.
„Ääh … ich dachte … es sei … mein Mann“, stammelte sie errötend.
„Aha“, sagte die Frau höflich.
Es gelang ihr, ein Gesicht zu machen, als wäre Mamas albernes Gehüpfe daher das Natürlichste auf der Welt.
„Darf ich kurz reinkommen?“, fuhr sie fort. „Es gibt da etwas … Nun, ich nehme an, Sie sind Sveas Mutter?“
„Ja“, sagte Mama. „Wuff!“
Das Letztere galt Wuff, die ihre neugierige Schnauze in die Tasche der Frau gesteckt hatte.
Die Frau sah Mama jetzt doch recht bekümmert an.
Aber Mama trat höflich zur Seite.
„Bitte sehr.“
Die Frau blieb zögernd in der Türöffnung stehen. Erst als sie mich sah, lächelte sie erleichtert und wagte das Irrenhaus zu betreten.
Mama hatte keine Ahnung, wen sie da hereinließ, aber ich erkannte die Nachbarin von Frau Asp sofort. Die Frau, die damit gedroht hatte, sich wieder zu melden. Jetzt war sie also hier.
Ich bereute es bitterlich, dass ich Mama nicht schon früher von den Ereignissen bei Frau Asp erzählt hatte. Jetzt würde sie die Wahrheit von einer Fremden in Gesicht geschleudert bekommen.
„Wer …?“
Mama wurde durch ein Klopfen an der Tür unterbrochen.
Wuff begann wieder zu bellen.
Mama öffnete die Tür einen Spalt weit.
„ Klopfeliklopf, wer steht da vor der Tür? “, sang Papas Stimme draußen auf der Haustreppe munter und laut, um das Gebell zu übertönen.
„Wuff!“, herrschte Mama den Hund an.
„Huhuu, ich bin’s, Janne …“
Papa streckte den Kopf fröhlich grinsend durch die Türöffnung. Sein munterer Gesang verstummte jäh, als er die fremde Frau erblickte.
„Tja … hrm“, räusperte er sich verlegen.
Dann sandte er Mama einen flehenden Blick.
„Das hier ist mein Mann“, sagte Mama.
„Ich verstehe“, sagte die Frau.
„Und Janne, dies ist … ja, tut mir leid …?“
„Mein Name ist Rakel Haage. Mein Sohn Simon und Svea besuchen dieselbe Klasse.“
Simons Mutter!
„Aha?“, sagte Mama.
„Wir haben uns wahrscheinlich noch nicht kennengelernt. Meistens nimmt Simons Vater an Elternabenden und Abschlussfeiern teil. Meine eigenen Arbeitszeiten sind ziemlich unregelmäßig …“
„Entschuldigung“, unterbrach Mama sie. „Möchten Sie nicht hereinkommen? Ich wollte mir gerade einen Kaffee machen. Vielleicht darf ich Ihnen auch einen anbieten?“
Simons Mutter nickte knapp.
Papa hatte immer noch rote Flecken am Hals. „Ich sorge für den Kaffee“, sagte er schnell.
Mama ging voraus ins Wohnzimmer. Sie setzte
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