Gefaehrliches Schweigen
sich aufs Sofa und Simons Mutter ließ sich auf dem Sessel gegenüber nieder. Wuff umkreiste die Fremde voller Neugier, bis Mama den Hund zu sich lockte.
Ich hing in der Türöffnung herum, voller böser Vorahnungen.
Papa, ein Tablett mit Kaffee, Gebäck und einem Glas Saft für mich in den Händen, drängte sich an mir vorbei.
„Bitte sehr“, sagte er, nachdem er eingeschenkt hatte.
Ich schleppte mich widerstrebend ins Zimmer und setzte mich so weit wie möglich von Frau Haage entfernt auf einen Stuhl.
Sie trank einen Schluck aus ihrer Tasse und stellte sie dann wieder ab.
„Leider habe ich ein unerfreuliches Anliegen“, begann sie. „Es geht um Svea.“
Alle drei starrten mich an, als wäre ich irgendein seltsames Tier.
„Sie hat Simon geschlagen.“
„Neein!“, riefen Mama, Papa und ich wie aus einem Mund.
„Leider doch. Simon ist gestern grün und blau geschlagen worden. Er weigert sich natürlich zu verraten, wer ihn so misshandelt hat, nun, Sie wissen ja, Teenager. Man bringt kein Wort aus ihnen heraus.“
Mama und Papa warfen sich einen leicht verwunderten Blick zu, doch Frau Haage schien das nicht zu bemerken.
„Schließlich habe ich Per Lundström, den Klassenlehrer, angerufen“, fuhr sie fort. „Und er hat mir erzählt, dass Svea in der letzten Woche einen Streit mit Simon hatte. Erst als ich Simon ohne Umschweife danach fragte, ist er zusammengebrochen und hat es gestanden.“
„Er lügt!“, schrie ich.
„Du hast doch gesehen, wie er zugerichtet war?“
„Ja, aber das war nicht ich!“
„Habt ihr denn tatsächlich einen Streit gehabt?“, wollte Papa wissen.
Ich überlegte. Klar, so konnte man es natürlich auffassen.
„Na ja, wir haben uns ein bisschen gekabbelt.“
„Du hast ihm anscheinend mitten im Unterricht gedroht“, flocht Frau Haage ein.
„Er hatte mir mein Tagebuch weggenommen!“
„Und dann hast du einem Jungen, der Micke heißt, ins Gesicht geschlagen.“
„Er hat mich festgehalten!“
„Ja, weil du sonst schon in diesem Moment über Simon hergefallen wärst!“
Auf Papas Stirn waren mehrere Sorgenfalten aufgetaucht.
„Es kann doch vorkommen, dass die jungen Leute Meinungsverschiedenheiten haben“, sagte er in einem Versuch, das Ganze abzuschwächen.
„Und hallo! Als Simon nach der Schule nach Hause ging, war er total okay!“
Frau Haage sah mich skeptisch an und schien mir kein einziges Wort zu glauben.
„Und dann ist da noch diese Sache mit Frau Asp“, sagte sie.
Mama fuhr zusammen.
„Frau Asp?“
„Meine Nachbarin, eine alte Dame.“
„Hat Svea die etwa auch … geschlagen?“
„Ich hab überhaupt niemanden geschlagen!“
Ich stand auf und schleuderte mörderische Blicke auf alle drei. In diesem Augenblick sah ich wahrscheinlich so aus, als könnte ich jedem von ihnen eine schmieren.
„Nein, nein, aber Frau Asp war völlig aufgelöst. Kein Wunder. Die arme alte Frau! Nun, wenn man jung und töricht ist, begeht man eben manche Dummheit. Das müssen Sie doch zugeben …?“
Simons Mutter war so sehr damit beschäftigt, mich einer Missetat nach der anderen zu beschuldigen, dass sie nicht auf Wuff achtete. Mama tat das dagegen umso mehr. Wuff hatte sich immer näher an das Gebäckstück von Simons Mutter herangeschlichen, das in verführerischer Nachbarschaft zu ihrer Schnauze auf dem Tisch lag.
„Nein!“, herrschte Mama sie an.
Offenbar war das nicht die Antwort, die Frau Haage erwartet hatte. Sie sah Mama erstaunt an.
Wenn ich nicht so wütend gewesen wäre, hätte ich es echt komisch gefunden.
Frau Haage setzte zu einem neuen Versuch an:
„Na ja, man kann natürlich geteilter Meinung sein, aber dass Schmuck und andere Gegenstände aus Frau Asps Haus verschwunden sind, ist wirklich empörend!“
In ihrem Eifer, zu Ende reden zu dürfen, ohne wieder von meiner Mutter unterbrochen zu werden, stolperte sie fast über die Worte.
„Was denn für Gegenstände?“, erkundigte sich Papa.
„Unter anderem Goldschmuck mit echten Perlen. Und eine kleine Figur aus der Goldschmiedewerkstatt von Fabergé. Sie ist sehr wertvoll, obwohl sie komischerweise einen Affen darstellt.“
Mama sah nichts Komisches darin und fragte auch nicht, wer Fabergé sei.
„Wollen Sie behaupten, Svea habe diese Sachen gestohlen?“
Mamas Stimme klang ruhig, aber ihr Blick auf unseren ungeladenen Gast war fast hasserfüllt.
Frau Haage seufzte.
„Jedenfalls hat Svea Frau Asps Kellerfenster eingeschlagen und ist unerlaubt ins Haus geklettert.
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