Gefaehrliches Schweigen
Ich habe sie mit eigenen Augen bei Frau Asp gesehen. Ach ja, übrigens, du hast deine Handschuhe vergessen.“
Sie kramte meine Handschuhe aus ihrer Tasche und legte sie auf den Tisch.
„Was um alles in der Welt hast du dort gemacht?“
Wuff hielt schon wieder auf das Gebäckstück zu, aber Mamas strenge Stimme ließ sie zurückweichen.
„Das war nicht ich“, versuchte ich zu erklären. „Ein paar Jungs hatten am Tag vorher die Tannenhecke der Alten angesteckt und ihr Fenster eingeschlagen.“
„Und warum bist du rein ins Haus?“
„Ich wollte nachschauen, ob ihr nichts fehlt.“
„Aber“, wandte Frau Haage fast triumphierend ein, „das Feuer in der Hecke war ja am Montag, und ich habe dich am Dienstag bei Frau Asp gesehen.“
„Schon, aber …“
Mama unterbrach mich.
„Warum hast du nicht an der Tür geklingelt, wie normale Leute?“
Frau Haages Mundwinkel zuckten. Bestimmt dachte sie an den eigenartigen Empfang, den sie hier bei uns erhalten hatte.
Aber ich fühlte mich in die Enge getrieben. Gleichzeitig war ich immer noch stinkwütend. Wie konnten meine Eltern diesen Lügengeschichten nur glauben?
„Wie gesagt, es ist leicht, der Versuchung nachzugeben“, sagte Frau Haage.
„Ich weiß noch, als ich klein war, da hab ich im Laden einen Lolli gestohlen“, sagte Mama. „Er lag direkt vor meinen Augen, und als die Verkäuferin sich umdrehte, schnappte ich ihn mir.“
„Ich hab einen Fußball gestohlen“, gestand Papa. „Ich weiß noch, wie schwierig es war, ihn hinterm Rücken zu verstecken, als ich das Sportgeschäft verlassen wollte. Aber so etwas passiert eben im jugendlichen Unverstand.“
Ich selbst habe auch schon Süßigkeiten geklaut. Aber jetzt war nicht von Süßigkeiten die Rede oder von einem Ball. Es handelte sich um verschwundenen Goldschmuck und andere wertvolle Sachen. Ich erinnerte mich an den hässlichen Affen. Und den hatte ich nicht mitgenommen, der hatte mich kein bisschen verlockt.
„Frau Asp ist total durch den Wind, und trotzdem … trotzdem … glaubt ihr lieber ihr als mir!“
Vor lauter Zorn brachte ich meine Worte nur stoßweise heraus.
„Du musst zugeben, dass es seltsam ist“, sagte Frau Haage anklagend. „Jedes Mal, wenn etwas los ist, bist du zur Stelle, aber trotzdem angeblich vollkommen unschuldig!“
Ich wollte weinen und schreien und einfach wegrennen. Dennoch blieb ich sitzen, verstummt und erstarrt. Sie kapierten nicht, wie verletzt ich war.
Frau Haage musterte kurz ihre fast unberührte Kaffeetasse und tastete zerstreut nach ihrem Gebäck. Doch das hatte Wuff verschlungen. Mama hatte andere Sorgen als einen Kuchendieb.
Sie saß da und starrte mich an.
„Das hätte ich nie … von dir erwartet.“
Mit einem Beben in der Stimme.
„Ich will ja nicht aufdringlich sein“, sagte Frau Haage, „aber dürfte ich vielleicht einen Blick in Sveas Schultasche werfen? Einfach sicherheitshalber.“
Und da kam es.
Die Worte pressten sich aus mir heraus. Ich schaffte es nicht, höflich zu einer Person zu sein, die mich in meinem eigenen Zuhause verdächtigte und meine Eltern mitzog.
„Ihr seid ja alle total durchgeknallt!“
Wütend stampfte ich die Treppe zu meinem Zimmer nach oben, schlug die Tür mit lautem Krachen zu und drehte den Schlüssel um, bevor ich mich aufs Bett warf. Schluchzend und wimmernd heulte ich meinen Zorn in die weiche Kissenfüllung. Ich hasste meine Eltern. Und Simons beschissene Scheißmutter. Und Frau Asp, die nichts als Watte im Kopf hatte. Und Simon, diesen Lügner.
Simons Mutter und meine Eltern wollten doch tatsächlich meine Tasche durchwühlen! Am liebsten wohl auch noch in meinem ganzen Zimmer herumschnüffeln! Die mit ihrem verständnisvollen Gehabe! Jeder kann einen Fehler machen! Jetzt erwarteten sie natürlich, dass ich meine Fehler gestand und alles wiedergutmachte.
Wenn ich Simon tatsächlich eine geschmiert und Frau Asps Sachen geklaut hätte, wäre das einfach gewesen. Dann hätte ich mich entschuldigen und die Sache aus der Welt schaffen können.
Aber so war es ja nicht.
Und was macht man dann?
Mama und Papa klopften im Laufe des Abends immer wieder an meine Tür. Sie versuchten mich sogar zum Öffnen zu bewegen, indem sie Wuff an die Tür scharren ließen.
Echt billiger Trick!
Ich schleuderte meine Schultasche an die Wand.
Hier habt ihr meine verdammte Scheißtasche! Von mir aus könnt ihr sie durchwühlen.
Bücher und Stifte flogen über den Boden, doch das war mir egal. Ich setzte
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