Gefaehrliches Schweigen
der Luft lag.
„Nein, nein. Wird schon so sein.“
Sein Gesicht und seine Geste drückten das Gegenteil aus. Und jemandem mit den Fäusten vor dem Gesicht herumzufuchteln ist vielleicht nicht unbedingt die beste Art, Friedfertigkeit zu demonstrieren, das muss ich zugeben.
Die Luft ging aus mir raus. Ich stieß einen tiefen Seufzer aus.
„Niemand glaubt mir.“
Er sah mich kurz nachdenklich an.
„Aber überleg doch mal. Wenn das stimmt, was du sagst, warum behauptet Simon dann solche Sachen?“
„Er hasst mich, findet mich doof, hässlich …“
„Blödsinn!“
Mitten in dem ganzen Elend fühlte es sich gut an, dass er mich genau an dieser Stelle unterbrach. Fast wie eine Liebeserklärung. Aber ich gönnte mir keine Zeit, um es zu genießen.
„Wahrscheinlich traut er sich nicht, die Wahrheit zu sagen“, sagte ich.
„Aber warum schiebt er ausgerechnet dir die Schuld zu? Warum nicht Micke oder Hannamaria? Oder mir?“
„Ich bin wohl die Einzige, die mit ihm gesprochen hat.“
Er nickte.
„Die sogar mit ihm gestritten hat. Passt unglaublich gut.“
„Er war derjenige, der angefangen hat“, beeilte ich mich zu erklären. „Er hat mir im Unterricht mein Tagebuch geklaut.“
„Hast du vorher schon mal mit ihm Ärger gehabt?“
„Nie.“
„Vielleicht hat er mit Absicht versucht, dich wütend zu machen. Um jemandem die Schuld geben zu können.“
Ich sah ihn skeptisch an.
„Er konnte doch kaum im Voraus wissen, dass er Prügel beziehen würde?“
„Das kann nur er beantworten. Aber versuch lieber nicht, ihn noch einmal auszufragen. Das gibt bloß noch mehr Zoff.“
„Wie soll ich ihn sonst dazu bringen, seine Lügen zuzugeben?“
„Weiß nicht.“
Ich sah ihn nachdenklich an.
„Und was ist mit dir?“
„Was soll das heißen – mit mir ?“
Er kapierte genau, was ich meinte, und nickte schließlich widerstrebend.
„Okay, ich mach einen Versuch. Und wenn er sich weigert, mit mir zu reden …“
„… drohst du mit der großen, bösen Svea.“
„Trotzdem … gib zu, dass das eigenartige Zufälle sind. Ich meine, die Sachen der Alten sind verschwunden, nachdem du dort gewesen bist!“
Ich holte tief Luft, um mich zu verteidigen.
„Damit will ich nicht sagen, dass du sie mitgenommen hast. Aber komisch ist es doch, oder?“
Ich dachte an die Ohrringe in meiner Schreibtischschublade, traute mich aber nicht, ihm davon zu erzählen. Er glaubte mir auch so schon kaum.
„Bestimmt hat sie die Sachen bloß irgendwo anders hingeräumt“, sagte ich ausweichend.
„Und wenn sie nicht wieder auftauchen?“
„Dann geht Simons Mutter zur Polizei.“
„Ich komm dich dann besuchen, wenn du brummen musst“, sagte er grinsend.
„Echt nett“, sagte ich.
Aber ich lächelte ihn nicht an dabei. Ich musste wieder an die kleinen Ohrringe denken. Und daran, dass ich ganz schön in der Patsche stecken würde, falls jemand sie fände.
„Wenn wir schon von komischen Sachen reden, findest du nicht auch, dass Marko und Natalie sich komisch verhalten?“, sagte ich. „Hat Marko verraten, warum er sich geprügelt hat?“
„Nein.“
„Eigenartig.“
Linus nickte, bevor er sich umdrehte und weiterging.
Als ich reinkam, saßen Mama und Papa beim Frühstück.
Wuff galoppierte schnurstracks in die Küche, wo sie liebevoll begrüßt wurde.
Während ich Jacke und Stiefel auszog, knurrte mir der Magen. Der Duft nach getoastetem Brot stieg mir verlockend in die Nase. Gleichzeitig war ich auf der Hut. Ein erneutes Verhör würde ich nicht ertragen.
„Svea!“, rief Mama.
Beim ersten Wort über Simon oder Frau Asp fange ich an zu schreien, dachte ich.
„… möchtest du ein gekochtes Ei?“
Ich trat an die Küchentür.
„Ja bitte.“
Papa sah von der Zeitung auf und zwinkerte mir zu.
„Iss lieber tüchtig. Nach dem Frühstück geht’s gleich los zum Training.“
„Wenn das so ist, werd ich die Gelegenheit wahrnehmen und Skizzen für mein neues Bild machen“, sagte Mama. „Die ganze Nacht hat mir schon der Kopf vor lauter Ideen gebrodelt.“
„Und ich hab geglaubt, es wäre die Kaffeemaschine!“
„Alter Witzbold!“ Mama tätschelte Papas Arm.
„Was willst du malen?“, fragte ich.
„Also, ich stelle mir Artemis in einer altertümlichen Küche vor, mit einer Schürze …“
„Etwa blau-weiß gestreift?“, erkundigte sich Papa.
„Ist doch klar.“ Mamas Stimme klang erstaunt über eine so einfältige Frage. „Und sie ist gerade damit beschäftigt, eine
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