Gefaehrliches Schweigen
Wissen bestimmt auch sehr nützlich. Superromantisch, um es Linus ins Ohr zu flüstern.
Wieso kam ich jetzt gerade auf ihn?
Er hatte seit Donnerstag, als diese Typen vor unseren Häusern herumlungerten, nichts mehr von sich hören lassen. Jedes Mal, wenn ich das Haus verließ, hatte ich mich ordentlich umgeschaut, aber die Bande war nicht wieder aufgetaucht.
Meine Gedanken glitten wieder zur Schule zurück. Und zum Hockeytraining.
Elias war bestimmt stinksauer. Ich konnte nur hoffen, dass er mir nicht die Schuld dafür gab. Es war schließlich Bjarne Lund, der bestimmt hatte, dass Elias nicht mitspielen durfte.
Ich schickte eine SMS an Alexander.
„Was hat Elias eigentlich vermasselt?“
Die Antwort kam umgehend.
„Hat das Training sausen lassen. Und Lund Schwuchtel genannt.“
Das klang natürlich weniger gut. Aber ob unsere reguläre Sportlehrerin Anita den besten Spieler unserer Mannschaft aus diesen Gründen wohl ausgeschlossen hätte? Ohne Elias hatte unsere Schulmannschaft kaum eine Chance zu gewinnen. Vermutlich hatte Lund sich vorher mit ihr abgestimmt. Er war ja trotz allem nur eine Vertretung.
Ich begriff einfach nicht, warum Elias sich mit Jimmy und Stoffe eingelassen hatte. Vielleicht aus Angst, genau wie Marko, obwohl er das nicht zugeben wollte? Denn freiwillig würde Elias bestimmt nicht mit ihnen verkehren. Er hatte eigene anständige Freunde, Sportler wie er selbst.
Mir fielen keine brauchbaren Antworten auf meine Fragen ein, also versuchte ich mich wieder auf die Hausaufgaben zu konzentrieren. Ich las noch zwei Abschnitte durch und spürte, wie sich die Weisheit in meinen Hirnzellen ausbreitete.
Kurz schielte ich auf die nächste Seite im Buch. Shit! Noch jede Menge Abschnitte!
War es überhaupt erlaubt, so viele Hausaufgaben zu geben?
Ich simste die Frage an Jo.
„ Null Ahnung “, antwortete sie. „ Pest und Cholera. Hab aufgegeben .“
Jo wird später mal irgendwas mit Pferden machen. Da braucht sie nicht zu wissen, wann Napoleon geboren wurde. Eher wann sein Pferd auf die Welt kam.
Ich stand auf und sah hinaus. Meine Eltern schippten gerade die Garagenauffahrt frei. Wuff hüpfte zwischen ihnen umher und presste vergnügt schnaubend die Schnauze in den Schnee.
In der Nacht waren zehn Zentimeter gefallen und der funkelte jetzt in der Sonne, als hätte jemand Millionen winzig kleiner Diamanten aufdem Boden ausgestreut. Nur vereinzelte Wolken, die friedlich über den klarblauen Himmel schwammen, warfen ihre Schatten auf die weiße Decke.
Mir war von dem vielen Wissen der Kopf schwer und ich sagte mir: Damit komme ich schon durch. Falls Lundström wissen will, wann Napoleon geboren wurde, gibt es bestimmt jede Menge eifriger Klassenkameraden, die ihn darüber informieren wollen. Es gibt Grenzen für das, was eine zukünftige Polizeibeamtin an Wissensgut in sich reinstopfen kann.
Ich ging ins Freie – von der unwiderstehlichen Lust auf Schneeschippen heimgesucht.
MONTAG
Am Montagmorgen bereitete mir die Kleiderwahl erhebliche Probleme. Und das, obwohl ich zwei neue Tops hatte. Ein blaues und ein schwarzes. Wenn ich das blaue anzog, würde Mama traurig werden. Wählte ich das schwarze, wäre Elin betrübt.
Schließlich entschied ich mich für das schwarze. Elin konnte mich schließlich nicht sehen, Mama dagegen schon.
Ich war eine halbe Stunde früher aufgestanden, um mich zurechtmachen zu können. Ich wollte genauso hübsch aussehen wie Paulina.
Zu dem schwarzen Top zog ich eine schwarze Hose an. Dann steckte ich mir die Haare hoch, kräuselte ein paar Strähnen, die mir seitlich ins Gesicht fielen, und schminkte mir die Augen mit Kajalstift und Lidschatten, anstatt mich wie sonst mit Mascara zu begnügen.
Betrieb Paulina jeden Morgen einen solchen Aufwand? Wie hielt sie das nur aus!
Aber als ich nach unten in die Küche ging, fühlte ich mich echt modelmäßig.
Papa sah mich lange an. Ich lächelte geheimnisvoll.
„Du brütest doch hoffentlich nichts aus? Du siehst so blass aus.“
Ich schielte zu Mama rüber. Als sie mich ansah, legte sie die Stirn in bekümmerte Falten.
„Wahrscheinlich ist mein Puder zu hell“, sagte ich schnell.
Mamas Stirn glättete sich. Sie lächelte.
„Nimm ein bisschen von meinem Rouge.“
Mit rougegeröteten Wangen stieg ich zwanzig Minuten später in den Bus.
Jo saß ganz hinten, hübsch wie immer, mit nur einem Hauch von Mascara auf den superlangen Augenwimpern, die ihre braunen Augen umrahmten.
Immer so hübsch auszusehen,
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