Gefaehrliches Schweigen
auf den Weg.
Marko wohnt in der Nähe der Kreuzung, wo wir morgens aus dem Bus steigen, in einem niedrigen Holzhaus.
Er selbst machte uns auf. Blass und hohläugig erinnerte er an die Junkies, die sich im Stadtzentrum herumtreiben. Man konnte fast seine Rippen unter dem T-Shirt zählen, und seine Arme waren dünner als meine eigenen Handgelenke.
Zuerst sah er Linus an und blinzelte betreten. Dann entdeckte er mich und verzog das Gesicht.
„Na, wie geht’s?“, fragte Linus.
Marko zuckte stumm die Schultern.
„Wir wollen mit dir reden.“
Marko rührte sich nicht vom Fleck. Offensichtlich wollte er nicht mit uns reden.
„Wer ist da?“, rief eine Frau aus dem Innern des Hauses.
„Linus!“, rief Marko zurück.
„Mach die Tür zu. Es zieht.“
Ich drängte mich vor, bis er zurückweichen musste, und schlüpfte ins Haus. Linus folgte mir.
Marko grummelte irgendwas, schloss aber hinter uns die Tür.
Er bat uns nicht, unsere Jacken abzulegen, aber das taten wir trotzdem.
„Hallo, Linus“, sagte plötzlich eine Stimme von einer Türöffnung her. „Und …“
„Svea“, sagte ich.
„Hallo, Svea. Ich bin Markos Mutter, Anita. Lieb von euch, Marko zu besuchen. Bei uns geht alles drunter und drüber, seit …“
Sie machte eine Geste und nahm offensichtlich an, wir wüssten, wovon sie sprach.
„Marko geht es auch nicht besonders gut“, fuhr sie fort.
„Wahrscheinlich irgendein Virus“, schlug ich vor.
Als Linus’ Mutter mich ansah, tauchten ein paar tiefe Falten auf ihrer Stirn auf.
„Habt ihr denn nicht gehört, was mit Anna passiert ist?“
„Nein, was denn?“, fragte Linus.
„Es war entsetzlich! Was hatte sie bloß bei der Kiesgrube zu suchen! Ich …“
„Hör auf!“, fuhr Marko sie an. „Kommt!“
Er zog uns hinter sich her und führte uns die Treppe nach oben in sein Zimmer.
Mein Zimmer sieht meistens ziemlich chaotisch aus, aber im Vergleich mit Markos Zimmer könnte man es geradezu als ordentlich bezeichnen. Überall flogen Kleider, Bücher und Sachen herum. Kein Licht, aber dank des fahlen Scheins eines eingeschalteten Computerschirms fanden wir uns trotzdem zurecht.
Marko machte nicht einmal den Versuch, etwas wegzuräumen, sondern ging einfach zu seinem Bett und ließ sich darauffallen.
Schließlich schob ich Klamotten und Handtücher vom Schreibtischstuhl, um mich irgendwo hinsetzen zu können. Linus machte das Gleiche mit einer Ecke des Schreibtisches und setzte sich dann auf den Tisch.
Das schwache Summen des Computers erfüllte das Zimmer. Keiner von uns sagte etwas.
Linus nahm ein Foto vom Schreibtisch, ich warf auch einen Blick darauf. Ich erkannte das Mädchen wieder, hatte sie schon in der Schule gesehen, wahrscheinlich ging sie in die Siebte. Dagegen hatte ich sie bisher nicht mit Marko in Verbindung gebracht, obwohl die Ähnlichkeit eigentlich ziemlich auffallend war.
Sie war mit Abstand das hübscheste Mädchen, das ich je gesehen hatte. Und wenn man bedenkt, dass ich Jo kenne, will das etwas heißen. Sie hatte blonde Locken und betrachtete den Fotografen neugierig mit großen braunen Augen.
„Ist das deine Schwester?“, fragte ich.
Marko nickte kurz.
„Was ist denn mit Anna?“, erkundigte sich Linus.
„Als ob dich das einen Scheiß interessieren würde!“
„Wir sind doch Freunde.“
Marko schnaubte.
Linus’ Gesichtsausdruck wurde hart.
„Mann, stell dich nicht so an! Wir wollen dir helfen!“
Marko sah Linus in die Augen, die Mundwinkel verbittert nach unten gezogen.
„Und was könntet ihr schon machen?“
Seine Stimme klang höhnisch, aber nachdem es uns immerhin gelungen war, ihn zum Sprechen zu bringen, wollte ich nicht aufgeben.
„Was ist deiner Schwester denn passiert?“, fragte ich.
„Ein Unfall.“ Markus sah zur Seite. „Sie liegt im Krankenhaus.“
Wir warteten eine Weile, aber er schwieg.
Ich sah mich um. An der einen Seite des Zimmers war eine steile Dachschräge. Dort hatte Marko Poster angebracht, eins, auf dem ungefähr fünfzig Pflanzen abgebildet waren, und eins mit Vögeln. Dazwischen hing ein großes Plakat mit dem Sternhimmel der nördlichenErdkugel. Ich erkannte die sieben Sterne des Großen Wagens, die auf den Polarstern hinwiesen.
Über dem Bett hing ein Poster mit sechs tätowierten Jungs, die um einen Instrumentenhaufen herumstanden.
Marko folgte meinem Blick.
„Findest du die gut?“
Ich hatte keine Ahnung, wer die waren, wollte aber meine Unwissenheit nicht verraten.
„Es geht
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