Gefährliches Spiel der Versuchung
Claret, Hartley, und schnell, wenn ich bitten darf.« Jervis nahm seinem Diener die Flasche ab und gönnte sich einen ausgiebigen Schluck. »Kommt schon, Gentlemen, was zaudert ihr so lange? Wenn wir die Hoffnung auf Beute noch nicht aufgegeben haben, haben wir keine Zeit mehr zu verschwenden.«
Talcott stöhnte. »Ich werde hier auf euch warten, wenn ihr nichts dagegen habt.«
»Wir können nicht garantieren, dass wir auf diesem Wege wieder zurückkommen«, erwiderte Jervis, in dessen Mundwinkeln sich ein hässliches Lächeln eingenistet hatte. Seine Laune schien mit jeder Sekunde schlimmer zu werden. »Da du nun mal kaum in der Lage bist, selbst den Weg zum Herrenhaus zu finden, schlage ich vor, dass du dich uns anschließt.«
Hastig verschlang Talcott ein Stückchen Brot mit Käse, fluchte wieder. »Himmel noch mal, ihr werdet mich in dieser gottverdammten Gegend doch nicht allein zurücklassen?«
»Dann pass auf, dass du nicht allzu weit zurückfällst.«
Jervis schien ein boshaftes Vergnügen daran zu finden, seine schlechte Laune an seinem Freund auszulassen, und ließ wieder ein paar Minuten verstreichen, bevor er seinem Diener bedeutete, das Picknick einzupacken.
Mühsam stand Talcott auf, fluchte wieder.
»Hartley, helfen Sie Seiner Lordschaft.« Jervis schnipste sich den letzten Krümel Cheddar von den Fingerspitzen und schnappte sich den Munitionsbeutel. »Lassen Sie sich das Gewehr von ihm tragen«, wies er Talcott an.
Dankbar reichte sein Freund die Waffe weiter.
Bedächtig sammelte Orlov seine eigene Ausrüstung ein, lauschte angestrengt dem Wortwechsel, der sich entspann, als Jervis seinen Diener beiseitenahm und mit ihm sprach. Aber sie redeten zu leise, sodass Orlov gezwungen war, sich zurückzuziehen.
»Fertig, Gentlemen?« Jervis wartete die Antwort nicht ab, sondern begann, den steilen Pfad hinaufzusteigen.
Schneller. Schneller. Shannons Herz pochte rascher, als ihre Füße den Weg zurück zum Herrenhaus rennen konnten. Mit einem Satz sprang sie über die Gartenmauer und sprintete über den gepflasterten Hof. Rund um den See hatte es weit und breit keine Spur von Orlov gegeben - und auch sonst von niemandem.
Eine List, die jedes Kind durchschaut hätte. Sie dagegen hatte naiv und blauäugig an ihren Geliebten gedacht, anstatt die Angelegenheit mit dem Falkenblick zu betrachten, der sich für einen Merlin gebührte.
Blindlings riss sie die Eingangstür auf und stürmte durch die Halle, flehte, dass es noch nicht zu spät sein möge.
Weiter oben hing die Tür zum Turm schwer in den eisernen Angeln.
Sie nahm zwei Stufen auf einmal und riss die Pistole aus dem Hüftgürtel. Der obere Treppenabsatz war in Schatten getaucht, so dunkel wie die eisernen Gitterstäbe vor dem schmalen Fenster. Drinnen im Salon herrschte geheimnisvolles Schweigen.
Shannon atmete tief durch, um sich zu beruhigen, verlangsamte den Schritt und entsicherte ihre Waffe. Mit der Stiefelspitze gelang es ihr, die Tür einen Spaltbreit zu öffnen.
»Lady Octavia?«
Keine Antwort ... abgesehen von einem leisen Schnarchen.
Dem Himmel sei Dank! Sanft rüttelte sie die Witwe an der Schulter. »Lady Octavia! Sie müssen aufwachen!«
Lider flatterten, und schließlich blitzte es blau hinter den Augengläsern. »Hmm.« Es klang wie ein sanftes Schnurren; der Blick jedoch wirkte verhangen.
»Man hat Sie unter Drogen gesetzt«, murmelte Shannon.
Die Witwe hatte Mühe, das Kinn zu heben. »Es muss der Tee gewesen sein. Er hat seltsam geschmeckt, aber ich dachte, es liegt an den Gewürzen«, stieß sie mit belegter Stimme aus. »Verdammt, ich war wirklich dumm!«
»Und ich erst.« Shannon wirbelte herum, als sie sich nähernde Schritte hörte.
»Irgendwas nicht in Ordnung?« Rawley schlurfte ins Zimmer. »Die Köchin und ich haben Miss Sloane über den Hof rennen sehen, als wäre ihr der Leibhaftige auf den Fersen.«
»Die Kinder ... wo sind sie?«, herrschte sie den Diener an.
»Nun, Lady Sylvia und ihre Freundinnen haben sie zum Picknick mitgenommen.« Er verzog das Gesicht. »Sie meinte, Mylady würde sich ein Schläfchen gönnen und dass Sie eine Besorgung zu machen hätten. Ich habe mir nichts dabei gedacht.«
»Dazu hatten Sie auch keinerlei Anlass.« Die Kutsche hatte nur eine Stunde Vorsprung; allerdings konnte die Lady in alle möglichen Himmelsrichtungen aufgebrochen sein. Shannon schloss die Augen und rief sich die Landkarten in Erinnerung, die sie sich eingeprägt hatte. Glücklicherweise blieben einem
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