Gefährliches Spiel der Versuchung
Wesen, das ihre Wut anfachte.
Konnte es sein, dass sie unter seinem bitteren Witz ein tieferes Gefühl in seinem Blick hatte glimmen sehen? In gewissen Momenten schien in seinem selbstsicheren Geplänkel ein merkwürdiger Aufruhr aufzublitzen.
Sehnsucht? Aber wonach?
»Wenn wir schon gezwungen sind, uns in der Gesellschaft des anderen zu bewegen, sollten wir wenigstens versuchen, uns zu unterhalten.« Sein verhaltener Spott vertrieb ihre Grübeleien. »Erzählen Sie mir etwas über sich! Was hat Sie dazu gebracht, sich Lord Lynsleys Schwarm anzuschließen?«
Shannon biss die Zähne zusammen. »Ich habe nicht die Absicht, Ihnen Einzelheiten aus meinem Leben anzuvertrauen, Mr. Orlov.«
»Wäre ich auf der Suche nach Vertraulichkeiten, wüsste ich, wo ich sie finden könnte, golubuschka.«
»Was Sie finden würden, Sir, das wäre nichts als Ihr Kopf auf einem Silbertablett serviert.« Shannon durchschnitt das aufgewickelte Leinen, legte es zur Seite und griff nach dem Salbentopf. »Und hören Sie endlich auf, mich bei diesem lächerlichen Namen zu rufen. Golub bedeutet Taube, nicht wahr?«
»Ja, mein Täubchen.« Das sanfte Licht der Lampe malte die feinen Schwingungen seines Mundes nach. Ein spielerischer Humor hatte sich in den Mundwinkeln eingenistet, ganz im Gegensatz zu dem frostigen Schauder, der seine Augen manchmal wie kleine eisige Splitter aussehen ließ. Der Anblick ließ sie jedes Mal frösteln. Im Moment bemerkte sie allerdings nicht mehr als ein schwaches Glitzern. »Es war als Friedensangebot gedacht. Welchen Namen würden Sie denn vorziehen? Olivia?«
Schnaubend verkniff Shannon sich die scharfe Erwiderung, hoffte aber, verärgert statt amüsiert zu wirken. Keinesfalls sollte er erfahren, dass sie seine respektlosen Bemerkungen unterhaltsam fand.
»Nein«, korrigierte er sich selbst. »Olivia ist absolut unannehmbar.«
»In der Tat. Olivia klingt nach einer jungfräulichen Tante, die ihre Nützlichkeit unter Beweis stellt, indem sie Strümpfe stopft.«
Orlov schauderte übertrieben. »Ich kann mir allerlei Tätigkeiten vorstellen, in die Sie verstrickt sind, spitze Werkzeuge eingeschlossen. Aber Stopfen gehört nicht dazu.«
»Sie werden Ihre lüsternen Anspielungen wohl niemals leid?«, provozierte sie ihn. »Falls Sie sich erhofft haben, dass ich erröte, dann verschwenden Sie Ihre Zeit. Ich bin nicht so empfindsam wie ein unschuldiges Schulmädchen.«
»Und doch ...« Orlov presste die Fingerspitzen aneinander und ließ den Blick über ihren Körper schweifen. »Sie sind unschuldig.«
Zu ihrer Bestürzung stellte sie fest, dass ihre Wangen vor Röte förmlich brannten. »Was wissen Sie schon über mich?«, entgegnete sie, aber die Bemerkung klang selbst in ihren eigenen Ohren schrill. Sie überspielte ihre Verwirrung, indem sie sich abwandte und ein Buch aus ihrem Seesack zog.
»Vielleicht nicht Ihren Namen. Aber es gibt andere, sehr wesentliche Dinge, die eine Frau ohne Worte ausdrückt. In der Art, wie sie sich bewegt, in der Art ihres Lächelns ...«
»Völliger Unsinn!«, widersprach Shannon. »Sie sehen nur das, was Sie sehen wollen, Mr. Orlov. Und Ihr Blick ist durch Ihre Überheblichkeit sehr getrübt.« Sie schlug das Buch auf, das durch die Reise lädiert wirkte. »Wagen Sie es nicht zu hoffen, dass ich durch Ihre Arroganz jemals aus der Fassung gebracht werde.«
Nachdem sie eine Weile geschwiegen hatten, rührte er sich in der engen Koje. »Wenn wir uns schon nicht unterhalten können, darf ich Sie dann wenigstens bitten, laut vorzulesen?«
»Ich bezweifle, dass Ihnen die Geschichte gefallen wird. Es handelt sich nämlich um eine beißende Satire auf den männlichen Stolz.«
Er erhaschte einen Blick auf den Titel. »Und auf weibliche Vorurteile. Weil in Wahrheit beide Geschlechter mit demselben unbarmherzigen Witz aufgespießt werden.«
Überrascht schaute Shannon auf. »Sie sind mit diesem Buch vertraut?«
»Um die Wahrheit zu sagen, ich finde es überaus unterhaltsam.«
Shannon fragte sich, ob er nur seinen Spott mit ihr trieb, als er hinzufügte: »Miss Elizabeth Bennett erinnert mich ein wenig an Sie. Eine stolze junge Frau, die sich von den Erwartungen der konventionellen Gesellschaft nicht beugen lässt und keine Angst hat, ihr Terrain zu behaupten.«
Sie verspürte ein merkwürdiges Zucken in den Fingerspitzen.
»Würden Sie der Behauptung zustimmen, dass ihr einziger Fehler darin besteht, sich in ihren Urteilen zu überstürzen?«
Ihr Blick fiel wieder auf
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