Gefährliches Spiel der Versuchung
den Blick von ihrem Papier zu heben. »Zwischen uns gibt es nichts, Mr. Orlov.«
»Die Dame, wie mich dünkt, gelobt zu viel«, murmelte er.
»Sie sollten Shakespeare nicht falsch zitieren.« Shannon hörte auf, wie wild zu schreiben, allerdings nur so lange, bis sie ein leeres Blatt Papier auf ihren Stapel gelegt hatte.
»Ich versichere Ihnen, dass meine Worte sehr treffend waren. Ich habe englische Literatur in Oxford studiert.«
»Und ich versichere Ihnen, dass die Empfindungen unpassend sind. Obwohl die Tatsache Ihre Eitelkeit schmerzlich berühren muss, sehnt sich nicht jedes weibliche Wesen auf Gottes weiter Erde danach, für Sie die Röcke zu lupfen.«
»In der Tat. Ich habe Sie noch nie anders als in Hosen gesehen.«
Shannon errötete und schwieg. Aber erst, nachdem sie ein paar Worte ausgestoßen hatte, die ganz fatal nach »abscheulich« und Ähnlichem klangen.
Shannon war immer noch aufgebracht, als sie zu Ende geschrieben hatte und ihren Bericht durchlas. Lynsley sollte zufrieden sein, denn sie hatte den Ablauf des Auftrags in allen Einzelheiten gründlich geschildert. Vielleicht zu gründlich. Es war ein Jammer, dass sie Orlovs Anwesenheit erwähnen musste; es gab Dinge, über die man besser nicht sprach.
Wie zum Beispiel über diese unerklärliche Anziehung zu einem Erzschurken.
War der Reiz, den er auf sie ausübte, etwa nichts als ein weiterer Hinweis auf ihre Launenhaftigkeit? Denn wer vernünftig war, konnte keinen Sinn darin entdecken. Sie kämpfte für edle Ziele, während er allein seinem persönlichen Profit nachjagte. Also hatte sie alles Recht der Welt, ihn nach Kräften zu verabscheuen. Und doch ...
Sie erschrak schuldbewusst, als ihr ein kaum merkliches Stöhnen ans Ohr drang. Um aufrichtig zu sein, der Russe war nicht nur schlecht. Er besaß unbändigen Mut und eine gehörige Portion Ironie. Nicht ein einziges Mal hatte er über den Schmerz geklagt oder über die Laune des Schicksals, die dafür gesorgt hatte, dass die Kugel ihm und nicht ihr das Fleisch zerfetzt hatte.
Glück? Shannon tastete nach dem silbernen Amulett unter ihrem Hemd und stellte fest, dass sie ernsthaft über die Situation nachdachte. Was hatte Orlov bewogen, sie zu retten? Ein Ehrenkodex? Schließlich hatte er selbst zugegeben, dass er keinen besaß. Shannon verzog das Gesicht. Vielleicht war er in der Hast, nur die eigene Haut zu retten, schlicht gestolpert.
Aber es kam nicht infrage, sich über solch unbehagliche und abstrakte Fragen den Kopf zu zerbrechen, wenn es wesentlich praktischere Angelegenheiten zu regeln gab. Shannon legte den Stift beiseite, erhob sich und griff nach ihrem Messer. »Es schmerzt mich mehr als Sie selbst, Mr. Orlov. Aber es ist höchste Zeit, den Verband zu wechseln.«
»Ich bin stets bereit, mich Ihren Berührungen entgegenzustrecken.«
»Während ich es kaum erwarten kann, die lästige Aufgabe hinter mich zu bringen, verlangt die Pflicht, dass ich meine persönlichen Gefühle beiseitelasse. Wir sollten versuchen, die Angelegenheit so schnell wie möglich zu erledigen.«
Orlov ergriff ihre Hand, drehte sie um und küsste die Innenseite des Gelenks. »Sie verletzen mich aufs Neue mit Ihrer Verachtung, golubuschka. Kommen Sie schon, lassen Sie uns Freunde sein. Zumindest für die Dauer dieses flüchtigen Zwischenspiels.«
Plötzlich wurde Shannon sich der Hitze bewusst, die ihr durch den Körper schoss, ein merkwürdiges Feuer, das ihre Widerstandskräfte zu schmelzen drohte. Für den Bruchteil einer Sekunde war die Verlockung groß, sich seinem Vorschlag zu unterwerfen. Aber dann kam sie wieder zur Vernunft, riss die Hand los. »Sie verschwenden Ihren Charme, Mr. Orlov.«
Ihre Schreckhaftigkeit ließ ihn lächeln. »Wirklich?«, murmelte er mit rauchig verführerischer Stimme. Sein Tonfall besaß eine exotische Note, die es ihr in den Fingern jucken ließ, über seine golden schimmernden Bartstoppeln zu streichen. »Ich gehe jede Wette ein, dass ich Sie dazu bringen könnte, mich zu bitten, Sie zu erobern, golubuschka«, fügte er hinzu und fixierte sie mit einem trägen Blick unter den gesenkten Lidern. Der glitzernde Ohrring unterstrich das verwegene Blinzeln.
»Sie sind überaus selbstsicher«, schnappte Shannon.
»Schließlich weiß ich, wonach ich verlange. Und Sie?«
Sie antwortete nicht. Was für eine lächerliche Frage! Natürlich wusste sie, wonach sie verlangte. Nicht nach ihm - so viel war sicher. Sie brauchte nichts weniger, als ein arrogantes männliches
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