Gefährliches Spiel der Versuchung
vertrauen wie ich auf Ihres.«
Orlov senkte seine Lippen. »Wir Russen sind nicht so zivilisiert wie die Engländer.«
Shannon rührte sich nicht von der Stelle. »Wenn Sie nach Ihrer Klinge suchen, sollten Sie den Blick besser woanders hinwenden.«
In seinem Lachen schwang noch etwas anderes mit als nur Humor. Er konnte nicht anders, als ihre Stärke bewundern, ihre Schlagfertigkeit. Sie waren so verschieden - und sich doch so ähnlich. Als ob das irgendeine Rolle spielen würde. Andererseits war es nicht die Vernunft, die ihm diktierte, was er tun und lassen sollte, sondern ein tieferes Verlangen.
»Dazu gibt es keinen Grund, golubuschka. Ich sollte mich besser irgendwie zwischen Worten und geschliffenem Stahl einrichten.«
Sie hob das Kinn, als wollte sie ihn herausfordern. Orlov hatte sein Verlangen nicht länger unter Kontrolle, war sich nur undeutlich bewusst, dass er seine Haltung veränderte und die Lücke zwischen ihnen schloss. Geschmeidige Muskeln, weiche Kurven - mit wunderbarer Leichtigkeit verschmolz ihr Körper mit seinem. Ihre Brüste fühlten sich an wie Feuerkugeln, die tief in seinem Oberkörper ein Stöhnen weckten.
»Vodyanoi«, flüsterte er, meinte jenes betörende Meereswesen, das alle vernünftigen Gedanken ertrinken ließ.
Shannon unternahm gar nicht erst den Versuch, der Berührung seines Mundes auszuweichen.
Die Wellen krachten gegen den Schiffsrumpf, klangen wie das Echo seines wild pochenden Herzens, als er sie dazu brachte, die Lippen zu öffnen. Sie schmeckte nach salzigem Meerschaum, nach frischem Regen, nach einer brennenden Sehnsucht, die nicht anders schien als seine eigene. Heiß und hungrig glitt seine Zunge in ihren Mund, verlangte nach einer leidenschaftlicheren Antwort.
Mit den Händen nestelte sie an seinem Mantel, fand irgendwie den Weg durch die Wolle und das Leinen. Als nackte Haut auf nackte Haut traf, spürte er, wie ein Schrei in ihr aufstieg. Ein weiches Geräusch, das nach Verwundbarkeit klang.
»Shannon«, murmelte er, drückte ihr einen Kuss auf die Wangenknochen. Sie riss die Augen auf; einen Moment lang betrachtete sie ihn mit der Sehnsucht einer Frau, nicht mit dem Blick der Kriegerin. »Ich bin nicht der Feind. Das musst du mir glauben.«
Shannon drückte die Handfläche auf seine Brust, fuhr leicht über die Narbe, die der Stich eines Messers zurückgelassen hatte - zur Erinnerung an eine Begegnung in Venedig -, um dann über die Bandage an seiner Schulter zu streichen. »Aber Lug und Trug gehören doch zu dem Leben, das du führst.«
»Aye. Und das, was wir tun, hat mir zahllose Narben auf die Haut geritzt«, bekräftigte er. »Aber es ist genau wie bei dir. Ich kämpfe nicht um der bloßen Erregung des Tötens willen.«
»Wofür kämpfst du?«
Es war Orlov bereits unangenehm, dass er so viel preisgegeben hatte. Denn er war noch lange nicht bereit, ihr sein Herz zu offenbaren. Die körperlichen Wunden waren sichtbar genug; sein geistiger Zustand war etwas, was er sogar vor seinem eigenen Blick verbarg. »Ich habe meine Gründe, golubuschka. Aber es sind private Gründe. Persönliche.«
»Geht es um Ehre?«, fragte sie zaghaft.
»Ich bin ein Mann. Kein Heiliger.« Noch nie zuvor hatte er seine Taten bereut. Und doch, in diesem Augenblick entdeckte er in sich den Wunsch, nicht so viele unübersehbare Makel an sich zu haben. Shannon weckte in ihm das Verlangen, sich zu einem besseren Menschen zu entwickeln, als er war.
Im Licht der Lampe wirkte ihr Lächeln strahlend. »Ich ... ich glaube, du bist ehrenwerter, als du es dir selbst einzugestehen wagst.«
Orlov verbarg sein Verlangen hinter einem sarkastischen Schulterzucken. »Was du siehst, ist ein Mensch aus Fleisch und Blut, keine glänzende Ritterrüstung.«
Konnte es sein, dass die Enttäuschung in ihren Augen aufblitzte? Blinzelnd zwang er seinen Blick in eine andere Richtung.
Die aufgewühlte See warf ihn nach vorn. Orlov verstärkte den Griff, um zu verhindern, gegen die schmale Koje geschleudert zu werden. Die stürmischen Böen schienen sich aufs Neue zu sammeln, das Gebälk über Kopf knarrte, die Segel schlugen hin und her. Der Wind heulte durch die geteerten Hanftaue, durch die fest verzurrten Segel.
Ein tiefes Grollen entrang sich seiner Kehle, und er küsste sie noch einmal. Er schwelgte in dem Gefühl des Friedens, das über ihn kam, obwohl um sie herum ein heftiger Sturm tobte. Orlov neigte seinen Körper, um sie vor den wackligen Koffern zu schützen, und drückte ihre Beine
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