Gefährliches Spiel der Versuchung
Benehmen auf der Reise hierher verheißt nichts Gutes, was die Erfüllung deines Wunsches betrifft. Deine ausschweifenden Liebeleien waren ausgesprochen beschämend.« Er zog eine grimmige Miene. »Es war schon schlimm genug, dass das gebrochene Wagenrad uns gezwungen hat, einen ganzen Tag in diesem schrecklichen Gasthaus zu verbringen. Aber es ist vollkommen indiskutabel, dass du dich erdreistet hast, die Aufmerksamkeit eines simplen Barons auf dich zu lenken! Lord Nobody ...«
»Hör auf, Lord Norbert einen Nobody zu nennen!«, kreischte Annabelle.
Jetzt hörte Orlov mit eigenen Ohren, dass Shannon mit der Feindseligkeit zwischen den Geschwistern nicht übertrieben hatte; dem Bruder passte die Wahl offenbar nicht, die seine kleine Schwester getroffen hatte.
»Ein Titel aus Yorkshire glänzt ebenso wie einer aus London«, fuhr sie fort. »Und ganz bestimmt glänzt sein Charme deutlich heller als deiner. Er war Gentleman genug, dafür zu sorgen, dass der Wirt nach der Bequemlichkeit der Ladys sieht, während du beinahe im Ale ertrunken bist!«
Lord Talcott ignorierte ihre Antwort und schenkte sich einen Spritzer Whisky nach. »Wirklich, Helen, kannst du dich nicht ein wenig gewählter ausdrücken? Langsam glaube ich, dass Tante Georgianna recht hatte, als sie meinte, dass du beständigere Führung brauchst, wenn es ihr gelingen soll, die Familie vor einem Skandal zu bewahren.«
Helen sog die Luft scharf ein. »Es ist nicht so, dass ich die Leute dazu bringe, mit erhobenem Finger auf uns zu zeigen. Das Glück, das du in letzter Zeit am Spieltisch rund um die Stadt gehabt hast ... oder besser, das dir in letzter Zeit gefehlt hat ... das ist die einzige schwache Stelle, die Anlass zu Klatsch und Tratsch gegeben hat.«
»Hüte deine Zunge!«, stieß ihr Bruder grimmig aus. »Meine persönlichen Angelegenheiten ...«
»Es reicht!«, mischte Lady Sylvia sich ein. »Ihr seid alle gemeint.«
»Aber Helen hat recht.« Die jüngste Talcott schien sich nicht angesprochen zu fühlen. »Dass Robert dieser Reise zugestimmt hat, lag nicht daran, dass er uns einen Wunsch erfüllen wollte, sondern seinen Gläubigern entkommen.«
»Richtig oder nicht - derartige Familienangelegenheiten diskutiert man nicht in der Öffentlichkeit.« Lady Sylvias Lächeln spiegelte sich nicht in ihrem Blick. »Das solltet ihr doch inzwischen begriffen haben.«
Orlov verkniff sich sein Grinsen, als er sah, welch grimmiger Trotz in dem Blick lag, den Annabelle ihrem Bruder und der anderen Lady zuwarf. Wenn man sie nur passend ermutigte, wäre sie vielleicht dazu zu bewegen, sich zu noch mehr Indiskretionen über die Truppe aus London hinreißen zu lassen.
»Siehst du jetzt, was ich zu erdulden habe?« Lord Talcott stieß einen langen Seufzer aus. »Wenn du schon auf den Beinen bist, kannst du mir noch ein Glas dieses ausgezeichneten Whiskys einschenken, Jervis. Unangenehme Streitereien lassen mich immer durstig werden.«
Annabelle wollte eine spitze Bemerkung machen, aber ein Stirnrunzeln ihrer Schwester brachte sie zum Schweigen.
»In der Tat, es ist ein wenig zu warm hier«, murmelte De Villiers. »Ich denke, ich werde vor die Tür gehen, um ein bisschen frische Luft zu schnappen. Würde es Ihnen etwas ausmachen, mich zu einem Spaziergang rund um die Terrasse zu begleiten, Miss Sloane? Angesichts Ihrer Unterrichtserfahrung habe ich mich gefragt, ob Sie wohl in der Lage sind, mir die englischen Namen einiger Pflanzen zu verraten.«
Shannon zögerte, legte dann aber ihr Buch zur Seite. »Ich würde mich glücklich schätzen, es versuchen zu dürfen, Sir, obwohl ich mich mit Pflanzen nicht so gut auskenne.«
Langsam wich die angespannte Stimmung im Salon. Aber Orlov war sich des eingeschnürten Gefühls in seiner Brust nur zu bewusst. Nun, es war ihr bitterernst gewesen, als sie angekündigt hatte, ihre Weiblichkeit als Köder zu benutzen. Warum war er so überrascht? Schließlich waren sie es beide gewohnt, aus den Schwächen des Gegners ihren Vorteil zu ziehen. Und doch, obwohl seine gute Laune unerschütterlich blieb, konnte er das beunruhigende Gefühl nicht ganz abschütteln ... eine seltsame Mischung aus Irritation und dunkler Vorahnung.
»Der Lesestoff hier ist überaus langweilig«, nörgelte Annabelle. »Die einzige Ausgabe von Ackermanns Repository ist mindestens zehn Jahre alt.«
»Vielleicht wollen die Ladys die Grundlagen eines der ältesten Brettspiele der Welt erlernen, während die Gentlemen ihre Drinks genießen?« Orlov
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