Gefährliches Spiel der Versuchung
bringen drohte.
Orlov presste die Handflächen gegen das kühle Fensterglas, hoffte, die seltsame Hitze besänftigen zu können, die ihn durchflutete. Er war überzeugt gewesen, dass solch dumme Empfindungen ihn niemals ergreifen würden. Romantische Liebe war schließlich nichts anderes als ein Tintenklecks auf einem Blatt Papier. Sie existierte nur in Büchern.
Und doch fiel es ihm immer schwerer, zu leugnen, dass die Anziehung mehr als nur eine oberflächliche Angelegenheit war. Ihm entfuhr ein Geräusch, das irgendwo zwischen Lachen und Stöhnen lag. Nicht dass ihr umwerfender Körper, ihre zauberhafte Anmut zu wenig waren, die Glut in einem Mann zu entfachen. Aber noch mehr als die sündige Geschmeidigkeit ihrer Gliedmaßen liebte er es, sie wütend zu sehen, wütend und erregt. Leidenschaft. Prinzipien. Offenbar war es Shannon gelungen, in ihm das Bedürfnis zu wecken, sich um sie zu sorgen. Er ertappte sich bei dem Wunsch ...
Mit ihr befreundet zu sein. Orlov verdrehte die Augen. Er war sich nicht sicher, ob sie solch ein Angebot begrüßen würde - selbst wenn er wüsste, wie er es anstellen sollte.
Er blieb noch eine Weile am Fenster stehen, starrte auf sein verschwommenes Spiegelbild auf dem beschlagenen Glas, bevor er sich darauf vorbereitete, die Patrouille zu übernehmen.
Der nächste Morgen dämmerte grau und stürmisch. Aber als sie am Nachmittag eine Unterrichtspause einlegten, hatten die Wolken sich verzogen, und die Sonne hatte die kalte Brise aus der Luft vertrieben. Shannon legte den Umhang und ihr Schultertuch auf einem vorstehenden Felsen ab und arbeitete sich durch eine Reihe Yoga-Übungen, um sich zu dehnen und zu strecken. Die kleine Waldwiese inmitten der Kiefern bot ihr einen Rückzug, gut versteckt vor dem Herrenhaus, und die täglichen Übungen halfen ihr, den Kopf frei zu bekommen und den Verstand wieder auf die notwendigen Dinge zu konzentrieren.
Nach dem gestrigen Beinahe-Unfall waren ihre Nerven immer noch angegriffen.
Sie atmete tief durch, drückte sich aus der Kobra-Stellung hoch und lockerte die Muskeln. Barfuß und nur mit Hemd und Hose bekleidet genoss sie die ungehinderten Bewegungen ihres Körpers. Röcke sind wirklich eine verfluchte Behinderung, dachte sie, während sie einen Zweig abschnitt, der als Schwert für ihre Fechtübungen dienen sollte. Wenn weiblichen Wesen doch nur die gleichen Freiheiten gestattet wären wie Männern ...
»Treiben Sie es nicht ein wenig zu weit?« Orlov trat hinter einem Schirm belaubter Zweige hervor. »Es würde eine Reihe peinlicher Fragen aufwerfen, wenn jemand aus der Londoner Truppe Sie in diesem Aufzug entdecken würde, mit nicht mehr als der nackten Notwendigkeit am Leib.«
»Diesen Leuten würde es niemals einfallen, die ausgetretenen Pfade zu verlassen.« Sie hob den Zweig und vollführte ein paar Hiebe durch die Luft. Orlov strahlte eine Anspannung aus, die ihr einen Schauder bis in die Fingerspitzen jagte. Seit sie ihn gestern mit Emma auf dem Arm gesehen hatte, hegte sie keinerlei Zweifel mehr daran, wie hingebungsvoll er mit Kindern umgehen konnte. Gleichwohl war er immer noch ... gefährlich.
»Was die Frage aufwirft - was machen Sie hier? Sollten Sie nicht auf die Kinder achtgeben?«
»Lady Octavia vergnügt sich mit ihnen in den Turmzimmern und tischt ihnen Geschichten über den Plunder aus Wikingerzeiten auf«, erläuterte Orlov. »Der Treppengang hinauf ist von innen verschlossen, sodass im Moment keine besondere Gefahr besteht.« Er brach ebenfalls einen längeren Zweig ab und riss das Laub fort. Shannon schaute zu, wie er einen kraftvollen Hieb durch die Luft vollführte. »Genau wie Sie habe ich das Bedürfnis, mich körperlich zu ertüchtigen. Bis jetzt haben wir uns ausschließlich in vergeblicher Warterei geübt.«
»Sie sind heute in merkwürdiger Stimmung.«
»Bin ich das?« Orlov prüfte die Schlagkraft seines Stocks, ließ ihn plötzlich hochschnellen und kreuzte ihren mit einem sanften Knacken. »Vielleicht verdirbt es mir die Laune, mich ständig mit Schatten zu duellieren. Haben Sie vielleicht Lust, die Muskeln zu dehnen?«
Während die Brise durch die Kiefern raschelte, echoten Shannon die brummigen Worte des Fechtmeisters durch den Kopf. Vorsicht ist oft besser als Nachsicht. Aber sie hatte sich noch nie darauf verstanden, einer Herausforderung aus dem Weg zu gehen.
»En garde!« Ihre vorgetäuschte Klinge brach aus und traf Orlov hart an den Rippen. Der Russe sprang in letzter Sekunde zurück.
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