Gefährliches Spiel
allerdings war dies ein lebendiger Ort, an dem Menschen wohnten, nicht nur eine leere Bühne. Parkettboden. Ein großes, hohes Bett mit einem geschnitzten antiken Kopfteil, eine ebenfalls antike, auf Hochglanz polierte Kommode, zwei teerosenfarbige kleine Sessel mit einem kleinen, aufwendig verzierten Beistelltischchen zwischen ihnen. Hübscher weiblicher Schnickschnack, kleine Rosenknospen in einer blauen Vase, einige hervorragende Landschaftsaquarelle, ein gut gefülltes und akkurat sortiertes Bücherregal.
Das Stillleben eines Frauenschlafzimmers.
Er warf einen Blick aus dem Fenster. Es hatte die ganze Nacht geschneit, und es waren mindestens dreißig Zentimeter Neuschnee gefallen. Ein großer Ahorn draußen im Garten sah aus wie eine riesige, flauschige Wolke.
Der Himmel.
Nick rollte aus dem Bett, stellte sich auf die Zehenspitzen und streckte sich. Er fühlte sich ausgeruht, sogar aufgedreht. Es war nicht nur der großartige Sex, auch wenn nichts anderes den Körper so garantiert in Wallung brachte. Ganz anders als der schreckliche Sex, den er mit Consuelo gehabt hatte, der ihn ausgelaugt und erschöpft zurückgelassen hatte. Beim Sex mit Charity hingegen saß er in einer Rakete, die gerade abhob.
Außerdem hatte er geschlafen. Wirklich geschlafen, zum ersten Mal seit einer endlos langen Zeit. Der tiefe Schlaf hatte alle Spuren der Erschöpfung vertrieben, die seinen Kopf im letzten Jahr vernebelt hatte.
In seiner Zeit undercover im Gonzalez-Clan hatte er keine Nacht durchgeschlafen. Jede Sekunde konnte etwas passieren, was Nicks Tarnung auffliegen lassen würde, was sich aber vollkommen seiner Kontrolle entzog. Wenn Gonzalez ihn hätte beseitigen wollen, dann wäre das nachts geschehen.
Also zwang Nick sich, nur zu dösen, statt zu schlafen, und in regelmäßigen Abständen aufzuwachen, um seine Umgebung nach möglichen Gefahren abzusuchen. Danach erlaubte er sich immer wieder nur einen leichten Schlaf, sodass er in einer Sekunde kampfbereit sein konnte.
Das war die Art, wie Soldaten unter Beschuss im Feld schliefen. Im Einsatz konnte einem ein leichter Schlaf das Leben retten. Bei Gefahr war man innerhalb von Sekunden einsatzbereit. Aber wenn man das zu lange praktizierte, pumpte es den Körper voll mit Cortisol, dem Nebenprodukt von Stress, das auf Dauer die Nieren angriff. In Nicks Fall war es eine sehr lange Zeit gewesen – in Afghanistan und in seinem Jahr bei Gonzalez. Seine Nieren waren vermutlich hinüber.
Aber er würde ohnehin jung sterben. Das war etwas, was er tief in seinem Inneren wusste, in seinen Knochen und in seinem Blut. Er hatte es schon immer gewusst. Das war es, was ihn als Soldaten so furchtlos machte, denn wenn es schon so war, dann konnte er wenigstens kämpfend gehen.
Also war der Schlaf der letzten Nacht ein kleines Geschenk des Lebens. Er kannte den Grund, warum er so tief und so gut geschlafen hatte, abgesehen von dem wundervollen Sex natürlich. Sein tiefstes Innerstes – der Teil von ihm, der ihm, eine Millisekunde bevor die Kugel auf ihn zuflog, zuflüsterte, sich zu ducken, der ihm befahl, seine Waffe zum zehnten Mal zu checken oder seinen Fallschirm noch ein weiteres Mal zu überprüfen – hatte ihm gesagt, dass es in Charitys Haus keine Gefahr für ihn gab. Keine einzige.
Hier gab es nichts, was ihm Schaden zufügen wollte, so anders als im „Land der Boshaftigkeit“, in dem er die meiste Zeit seines Lebens verbracht hatte.
Entspann dich, Soldat , sagte er sich selbst. Auch wenn es eigentlich gar nicht mehr nötig war, die Worte zu denken. Sein Körper hatte es ihm schon lange verraten. Die fehlende Muskelspannung zeigte ihm zuverlässig, dass er an einem sicheren Ort war. Sicher und wunderschön und einladend.
Niemand wusste, dass er hier war. Niemand war ihm gefolgt, dafür hatte er gesorgt. Und während Di Stefano und Alexei wahrscheinlich vermuteten, dass er die hübsche Bibliothekarin verführt hatte, konnten sie sich doch nicht absolut sicher sein. Also wusste niemand, wo er war, und es gab in diesem Haus keine Gefahr für ihn.
Keine einzige Gefahr. Nicht einmal scharfe Kanten. Nur weiche Möbel in Pastellfarben, schöne Musik, angenehme Gerüche und eine höllisch hübsche Frau. Apropos …
Nick betrachtete seine am Boden liegende Kleidung. Er hatte absolut keine Lust, seine Sachen von gestern wieder anzuziehen. Anzughose, Hemd, Jackett – bloß nicht. In einer Tasche im Kofferraum des Wagens hatte er Jeans und ein Sweatshirt. Die würde er heute
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