Gefährte des Wolfes: William
sein Vater krank geworden war. War er so benebelt gewesen, dass es seine Wolfssinne betäubt hatte und er nichts mehr mitbekommen hatte? Er schüttelte die unheilvolle Vorahnung ab und ging die Treppe hinauf. Zuerst sein Vater, dann Sienna.
Zwei Stufen auf einmal nehmend, eilte Richard die Treppe hinauf. Auf seinem Weg in den dritten Stock begegnete ihm niemand, was sein Unbehagen nur noch verstärkte. An der Tür hätte eine Wache stehen müssen, sodass er sich dem königlichen Quartier nicht ohne Weiteres hätte nähern können.
Hastig tippte Richard den Zahlencode in die Tastatur an der Tür und betrat das in Dunkelheit gehüllte Wohnzimmer. Die Schatten zeichneten sich gegen das helle Nachmittagslicht ab und die Luft war abgestanden – der Geruch von Krankheit und Tod war erdrückend.
Sofort lief Richard zu den großen Glastüren, die zum Balkon hinausführten, riss sie auf und ließ die Sonne und eine frische Brise herein. Er konnte die frisch gepflügte Erde auf den Feldern riechen.
Noch immer war es totenstill. Aus keinem Zimmer hörte er irgendein Lebenszeichen. Wo war sein Vater? Meg, die Haushälterin? Irgendjemand musste doch hier sein. Richard durchquerte das Zimmer und klopfte an die Tür zum Schlafzimmer seines Vaters.
»Apa?«, rief er leise. Sollte sein Vater noch schlafen, würde er ihn wecken. So spät am Tag noch zu schlafen, konnte nicht gesund sein, selbst für jemanden, der sich ausruhen musste.
Ängstlich drehte er den Türknauf und spähte um die Tür herum. Ein Berg von Decken versteckte einen liegenden Körper auf dem Bett. Richard stieß seinen angehaltenen Atem aus. Ein Teil von ihm hatte gehofft, das Zimmer leer vorzufinden; sein Vater draußen beschäftigt mit den normalen Aufgaben eines Anführers. Sein Wolf winselte in seinem Kopf und lief auf und ab. Seine Unruhe und Angst überschatteten die Sehnsucht nach seinem Gefährten beinahe vollständig.
Das Schlafzimmer war ebenso abgedunkelt wie das Wohnzimmer, die Luft war heiß und verbraucht und schien alles zu ersticken. Und trotzdem war sein Vater in mehr als nur eine Decke gehüllt. Alles war falsch. Lykaner hatten eine höhere Körpertemperatur als normale Menschen, vor allem wenn sie schliefen. Richard hatte nur selten eine Decke benutzt und selbst in den kältesten Nächten hatte er keine benötigt.
Vorsichtig, um seinen Vater nicht zu erschrecken, setzte er sich auf die Bettkante, legte eine Hand auf seine Schulter und flüsterte erneut: »Apa?«
Irgendwann während ihrer ersten Sprechversuche hatten die Zwillinge begonnen, diese Abkürzung für ihren Vater zu verwenden. Niemand wusste, ob er oder Raul damit angefangen hatte. Nur wenige hatten sie in diesem Alter überhaupt auseinanderhalten können, aber es machte nichts. Der Spitzname war geblieben.
Träge regte sich der große Mann unter den Decken und drehte sich um, um seinen Sohn ansehen zu können. »Richard?«
»Ja, Apa, ich bin's. Fühlst du dich nicht gut?«
Ein schwaches Lächeln hob die Mundwinkel des Werwolfkönigs an. »Jetzt, wo du wieder hier bist, geht es mir schon viel besser. Ich hatte schon befürchtet, beide Söhne verloren zu haben.«
Richard beugte sich hinunter und umarmte seinen Vater. Die Hitze, die der alte Mann ausstrahlte, beunruhigte ihn. »Niemals, Apa. Ich werde immer bei dir sein und ich habe Raul getroffen. Er wird in ein paar Tagen hier sein. Wir werden wieder zusammen sein.«
»Ah, das sind gute Nachrichten…« Randolf Carlisles Worte wurden von einem heftigen Hustenanfall unterbrochen. Richard half ihm, sich aufzusetzen, und der abgehackte, trockene Husten klang langsam ab.
Dann begann Richard, die Decken zurückzuziehen. »Du musst aus dem Bett raus, Apa. Es ist nicht gut für dich, mit so einem Husten hier zu liegen. Komm, ich helfe dir ins Wohnzimmer, da kannst du dich hinsetzen und ich bringe dir etwas zu essen und zu trinken. Wo ist Meg?«
»Meg?«
Richard gefiel die Verwirrung nicht, die den Blick seines Vaters trübte.
»Meg… ich bin nicht sicher… ich habe nicht…«
»Mach dir keine Sorgen, Apa. Ich gehe runter in die Küche und bringe dir Suppe und etwas Tee.« Wenn sein Vater nicht wusste, wo Meg war, war es sinnlos, nach dem Verbleib der anderen Anwesenden des Hauses zu fragen. Richard würde sich um seinen Vater kümmern und dann nach Antworten suchen.
Auf halbem Weg die Treppe hinunter, ließ ihn eine andere Sorge zögern. Sein Vater hatte nicht nach Will gefragt. Als Anführer des Rudels musste der Geruch
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