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Gefaehrten der Finsternis

Titel: Gefaehrten der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chiara Strazzulla
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Ventel war aufgebrochen, um seine Eltern über seine bevorstehende Heirat zu unterrichten, und jetzt würde er vielleicht nie mehr zurückkehren.
    »Verzeih mir,Ventel«, sagte Lyannen leise. »Das ist auch meine Schuld. Wenn ich nicht so impulsiv gehandelt hätte und nicht aufgesprungen wäre, hätte der Pixie vielleicht nicht auf dich geschossen. Und wenn ich ein besserer Heiler wäre, könnte ich dir vielleicht all dieses Leiden ersparen.« Er fuhr sich über die Augen, während ihm wieder die Tränen über die Wangen liefen. »Ich will dir nicht versprechen, dich zu rächen, denn ich weiß, das würdest du gar nicht wollen. Doch früher oder später muss ich mich ihm stellen, das weißt du. Und ich kann dir schwören, dass ich es auch für dich tue. Und für all die anderen. Denn er hat zu vielen zu viel angetan. So viel Leid, so viele Tote. Niemand wüsste das besser als du, der hier mit dem Tod kämpft. Ich kann nicht mehr.«
    Ventel drehte sich mit einem Stöhnen um und tastete suchend mit der Hand über die trockenen Blätter auf dem Boden. Schließlich fanden seine Finger Lyannens Hand. Instinktiv drückte er sie fest und Lyannen erwidert den Druck sanft.

    »Erinnerst du dich,Ventel«, flüsterte er dann, »wie es in Feenquell war? Da habe ich geglaubt, ich würde es nie schaffen. Und dann bist du gekommen. Das war so schön, Ventel, als wäre ich wieder ein Kind. Noch nie in meinem Leben bin ich so glücklich gewesen wie in diesem Moment. Und schon deswegen darfst du nicht sterben, verstehst du? Ich habe dich nach dem Ende der Geschichte gefragt, aber du hast es mir nicht erzählen wollen. Genau wie damals, als ich noch klein war, erinnerst du dich? Und deswegen musst du überleben, um mir das Ende der Geschichte zu erzählen. Und ich möchte gern glauben, dass es ein gutes Ende sein wird. ›Und sie lebten alle glücklich und zufrieden bis ans Ende der Welt.‹ Wenn du mir erzählen würdest, dass die Geschichte gut ausgeht, könnte ich vielleicht sogar daran glauben. Ich weiß zumindest, dass du daran geglaubt hast. Das hat mir Krystal erzählt.« Ganz sanft strich er über Ventels fieberglühende Wange. »Krystal. Deine Wächterfee. Wie hast du dir nur so eine Beschützerin aussuchen können? Sie ist einfach unausstehlich. Ich habe noch nie jemanden so wenig leiden können wie sie. Aber ich schwöre dir, ich würde sogar über meinen Schatten springen und sie rufen, wenn das etwas nützen würde. Aber gegen dein Leiden ist sogar eine Fee machtlos, jedenfalls eine gewöhnliche Fee. Ich wünschte, ich könnte irgendwie erreichen, dass du gesund wirst und wir gemeinsam weiterziehen. Und ich glaube wirklich daran, dass wir diesen Krieg gewinnen können. Und danach würdest du Irmya heiraten. Eine schöne Hochzeit mit einem Meer aus Blumen. Und ich würde die Ringe tragen. Wenn der Krieg erst mal vorbei wäre, würde alles besser sein.Wir wären alle glücklicher. Doch ohne dich geht das nicht. Alles wäre anders, auch das Ende der Geschichte. Das wäre, als würde der Prinz diesmal nicht die böse Hexe besiegen. Und jeder weiß doch, dass ihm das immer gelingt, oder? Na ja, wenn du ein Kind bist, scheint die böse Hexe immer stärker zu sein, und dann fürchtest du dich und denkst, dass das Böse gewinnen
wird, obwohl du das Ende der Geschichte schon kennst. Aber dann kommt der edle Prinz und alles geht gut aus.«
    Lyannen beugte sich dichter über Ventel, nun schluchzte er und verbarg das Gesicht in den Falten seines Umhangs aus Mondseide. »Werde wieder gesund,Ventel, bitte«, wisperte er. »Die Geschichte, die du mir erzählt hast, war so schön. Sie darf einfach nicht schlecht enden.«
    Der Sternenanhänger rutschte aus dem Ausschnitt seines Gewandes und streifte kühl Ventels Wange. Plötzlich ging ein silbernes Licht von ihm aus und er glänzte, wie er es noch nie getan hatte, seit Vandriyan von der Schwarzen Lilie ihn von seinem Platz am Himmel geraubt hatte.
     
    Um ihn herum herrschte tiefes Schweigen. Absolutes Schweigen. So tief, dass man es kaum ertragen konnte. Wenn es eine Möglichkeit gab, das absolute Nichts zu beschreiben, dann war es eine Stille wie diese.Ventel Weißhand öffnete seine Augen nicht.Während sein Körper in der Stille schwebte, dachte er an nichts. Es war, als ließe er sich von der Strömung eines Flusses treiben, folge einem Sog, der ihn langsam, unerbittlich mit sich fortzog, und er hatte auch gar keine Lust, sich dagegen zu wehren. Sich einfach bis zum Meer treiben

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