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Gefaehrten der Finsternis

Titel: Gefaehrten der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chiara Strazzulla
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vor sich.« Er drückte Eileens Hand und versuchte, sie anzulächeln, aber das war zu schwierig für ihn, und so misslang es ihm gründlich. »Habt Vertrauen, er wird kommen«, fuhr er fort. Auch er flüsterte jetzt so wie sie gerade, doch während ihr die Stimme versagt hatte, sprach er so leise, weil er spürte, dass er hier nicht anders konnte. »Lyannen ist stur wie ein Maulesel und er liebt Euch wirklich. Er würde Feuer, Meer und Sturm durchqueren und die ganzen Nordlande, wenn es sein müsste. Und er wird es schaffen. Er würde die Grenzen der Welt überwinden, um Euch zu retten.«
    Eileen nickte schweigend, während ihr Kopf an Ventels Schulter lag. Ein Schatten ging über ihr Gesicht. »Genau dorthin muss er tatsächlich gelangen«, erwiderte sie verzweifelt. »Über die Grenzen der Welt hinaus.Wisst ihr, wo wir uns befinden? Dieser Ort existiert nicht. Es ist nicht einmal ein fester Ort. Er befindet sich beim Heer und bewegt sich mit den Schwarzen Truppen auf die Grenzregionen zu, glaube ich, und dann auf die Feste Syrkun. Er hat ihn erschaffen. Mein Kerkermeister, wenn Ihr ihn so nennen wollt. Mir fehlen die Worte, um ihn zu beschreiben.« Sie schwieg, und Ventel wartete bang darauf, dass sie fortfuhr, denn er wollte unbedingt mehr über den Herrn der Finsternis erfahren, ob er wirklich Algus’ Sohn war oder doch jemand anders. Doch Eileen wiegte nur den Kopf hin und her und ihre zarten Finger strichen sanft über Ventels blutbefleckte Hand. »Ihr seid verwundet«, sagte sie und schaute wieder zu ihm auf. »Ihr blutet. Wie seid Ihr hierhergekommen,Ventel? Was ist geschehen?«
    Ventel sprang plötzlich auf und wich zurück, er wusste nicht, warum er eigentlich vor ihr floh. Er wich zurück, bis er den kalten, harten Stein der grauen Wand hinter sich spürte. Dann sah er wieder Eileen an, sah die Verzweiflung auf ihrem Gesicht und
wie ihre hellgrünen Augen ihn anflehten zu bleiben. Er öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch seine Stimme versagte ihm und er fand keine Worte. Das Blut aus seiner Wunde war auf den Boden getropft und hatte zu ihren Füßen eine kleine dunkle Lache gebildet. Plötzlich packte ihn eine grundlose Furcht und verschlug ihm den Atem.
    Er wich noch einen Schritt zurück und dann fiel er durch die Wand. Ihm blieb gerade noch Zeit, sich zu wundern, dass er durch den Stein geglitten war, als sei der aus Luft, denn nun stürzte er ins Leere und ein kalter Wind schlug ihm ins Gesicht. Als er wieder etwas erkennen konnte, sah er unter sich, klein und fern wie eine bis in jedes Detail vollkommene Miniaturausgabe, die Benachbarten Reiche liegen. Sein Blick streifte über das sonnenüberflutete Ewige Königreich, in dem Dardamen leuchtete wie ein Juwel, dann weiter südlich bis zum Meer, auf dem winzige Schiffe ihre Spuren im Wasser hinterließen, dann nach Norden über dunkle Wälder und die braunen Gipfel der Berge. Bis seine Augen auf den Nordlanden ruhten und er sah, dass sie unter dem ungeheuer großen Heer der Schwarzen Truppen völlig verschwanden, ein schändlicher fließender Strom, der das Land verdunkelte und langsam auf die Grenzregionen zukroch, wie Eileen gesagt hatte. Auf die Grenze und auf Syrkun. Wieder presste ihm die Furcht wie eine eiskalte Hand die Kehle zu, während alles um ihn dunkel wurde, wie eine Gewitterwolke. Und aus dieser Wolke erhob sich eine hochgewachsene, furchterregende Gestalt aus Dunkel und Rauch, mit bösartigen Feueraugen. Ventel sah sie an, und da wurde ihm klar, was sie war und warum sie hier war, und seine Hoffnung versiegte. Die riesige Gestalt der Finsternis sah ihn mit ihren schrecklichen rot glühenden Augen an, dann senkte sie den Kopf zustimmend, als wolle sie damit sagen: »Jetzt weißt du also.«
    Ventel wandte die Augen ab, denn er fühlte, dass er sie nicht länger ansehen konnte, ohne vernichtet zu werden und weil er
verzweifelt nach einem Ausweg suchen musste, bevor ihn diese dunkle Wolke für immer in sich verschlang. Erstaunen durchdrang ihn wie ein Messer, als im Nebel dieser Wolke plötzlich Lyannens Gesicht erschien.
    »Lyannen?«
    Seinen Lippen entrang sich nur dieses eine Wort, wie ein Seufzer. Dann war Lyannens Gesicht verschwunden, mit ihm die Benachbarten Reiche unter ihm und die furchterregende Erscheinung der Finsternis und es blieb nichts als dieser ununterbrochene Sturz ins Leere. Er fühlte, wie er mit schwindelerregender Schnelligkeit fiel, bis er in ein gleißend helles Licht eintauchte, das aus dem Herzen eines Sterns

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