Gefaehrten der Finsternis
auch noch viel lernen muss.«
»Sehr gut, schön, dass du das zugibst!« Gylion lachte. »Rate einmal, was für einen tollen Einfall ich gerade habe, wie wir unseren lieben Freund Tyke von Mirnar wieder einfangen können. Wir setzen jemanden auf ihn an, der ihn auch am anderen Ende der Welt aufspüren würde.«
Scrubb schaute ihn neugierig an. »Ein paar Dämonen?«
Wieder ließ Gylion sein zynisches Lachen ertönen, das sogar Scrubb einen Schauder über den Rücken jagen konnte. »Oh nein. Etwas viel Schlimmeres.Wir lassen den Riesenork aus dem Sumpf auf ihn los.«
»Den Riesenork?« Scrubb blieb die Spucke weg. »Du weißt doch, dass selbst die Goblins Schwierigkeiten haben, den unter Kontrolle zu halten! Wenn der Tyke findet, kann es passieren, dass er ihn auf der Stelle verschlingt!«
Gylion schüttelte den Kopf. »Warum denkst du nicht nach? Die jämmerlichen Goblins können ihn nicht unter Kontrolle halten, aber vier gut ausgebildete Dämonen schaffen das mit links. Und ein Riesenork kann den Spuren einer Mücke folgen, die vor zwei Monaten über eine Wiese geflogen ist. Bei dem Verfolger ist der Junge schon so gut wie in unseren Händen.«
»Na, hoffen wir’s.« Scrubb wollte sich sichtlich nicht weiter dazu äußern.
Gylion füllte zwei Gläser mit einem schwarzen dampfenden Schnaps. »Vertrau mir, Scrubb, vertrau mir«, sagte er. »Los, lass uns anstoßen. Auf unseren Angriffsplan und auf den Thron, der bald mein sein wird!«
Doch als Scrubb sein Glas hob und an seine Lippen führte, hatte er wieder das merkwürdige Gefühl, neben sich zu stehen. Das Gefühl, irgendwie am falschen Platz zu sein und das Falsche zu tun.
Tyke von Mirnar hatte nicht nur Angst, er war voller Panik.Wie einen stetigen Trommelwirbel hörte er sein Herz in seiner Brust
schlagen. Beim kleinsten Geräusch schreckte er auf und zückte sein Schwert. Er wusste nicht, wie es ihm gelungen war, sich unbemerkt aus seinem Zelt zu entfernen, aber sicher waren ihm mittlerweile das ganze Heer der Sterblichen und die Hälfte der Mörderdämonen auf den Fersen … Die Vorstellung, was sie mit ihm anfangen würden, sobald sie ihn in die Finger bekamen, ließ ihm das Blut in den Adern gefrieren. Schließlich kannte er seinen Bruder und die Mörderdämonen nur zu gut. Die würden ihn nicht einfach so davonkommen lassen. Er durfte sich auf gar keinen Fall erwischen lassen. Leichter gesagt als getan.
Er wusste, dass sie ihn jagen würden. Bei jedem anderen Fahnenflüchtigen hätten sie keinen solchen Aufwand betrieben, aber bei ihm schon. Schließlich war er ein Mirnar, und noch dazu einer, der treu zum Bündnis mit den Ewigen stand. Außerdem war er der Bruder des Königs und das Volk liebte ihn. Und falls Lucidious starb, würde er zum Regenten gewählt. Aus diesen Gründen stellte er sowohl für seinen Bruder als auch für dessen mächtige Verbündete ein gewaltiges Risiko dar. Und er wusste, wie sein Bruder in so einem Fall vorging: Risiken waren aus dem Weg zu räumen. Nicht mehr und nicht weniger.
Tyke war gerade einmal achtzehn Jahre alt.Vor vier Jahren, als sein Vater und der alte Aldan Ohnetod ermordet wurden, war er noch ein naiver Junge gewesen. Allerdings nicht so naiv, dass er nicht sofort erkannt hätte, wie tief Lucidious in diese Mordanschläge verwickelt war. Ihm war klar, dass sein Bruder Deramion nicht für den Tod ihres Vaters verantwortlich sein konnte. Und es war nur ein kleiner Schritt hin zu dem Schluss, dass Lucidious selbst dahintersteckte. Darüber hinaus hatte ihn Deramion vor dessen wahren Absichten gewarnt. Tyke hatte mit seinem Bruder noch einmal am Abend vor seiner Hinrichtung sprechen können. Und in diesem Gespräch hatte er Dinge erfahren, die er sich nicht einmal hätte träumen lassen. Dinge von großer Tragweite. Dinge, die die Welt, so wie er sie kannte, verändern
würden. Und er hatte erfahren, dass er selbst in Lebensgefahr schwebte.
Unbewusst war ihm das bereits klar gewesen. Er hatte immer schon ein feines Gespür dafür gehabt, was um ihn herum vor sich ging, und bei Hofe passierte vieles. Allein die Art, wie Lucidious sprach und sich bewegte, weckte Tykes tiefes, instinktives Misstrauen. Und als König Malvas ermordet worden war, hatte er gespürt, wer dahintersteckte.
»Er war das«, hatte er zu Deramion gesagt, als sein Bruder sich von ihm verabschieden wollte. »Es war Lucidious.«
Deramion war froh, dass Tyke die Wahrheit ganz von selbst erkannt hatte, und es war ihm dann wesentlich
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