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Gefaehrten der Finsternis

Titel: Gefaehrten der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chiara Strazzulla
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ACHTZEHN
    H AUPTMANN VANDRIYAN VON der Schwarzen Lilie begann gerade, müde zu werden, als ihm Fardan der Jüngere ankündigte, dass die Feste Syrkun nur mehr eine halbe Stunde entfernt war. Wann hatte er sich zum letzten Mal ausgeruht? Wahrscheinlich war das noch vor ihrem Aufbruch aus Dardamen gewesen. Er sehnte sich nach einem entspannenden Bad. Vielleicht würde er ja in Syrkun dazu Gelegenheit haben.
    Sie hatten die Feste schneller erreicht, als jeder andere es geschafft hätte. Eines stand fest: Auch wenn ihr Name viel von seinem ursprünglichen Ruhm eingebüßt hatte, waren die Ritter des Geflügelten Sturms immer noch die besten. Er musterte Fardan, der untadelig in seiner orange-tabakbraunen Uniform daherkam, und lächelte zufrieden. Niemand konnte an der Durchführung dieses Unternehmens etwas kritisieren. Sie hatten ihr Bestes gegeben, und das in der kürzestmöglichen Zeit.
    Doch so mutig und geschickt sie auch waren, den Sohn des Königs hatten sie nicht gefunden.
    Noch nicht, dachte Vandriyan, und wieder verzogen sich seine Lippen zu einem Lächeln. Er hatte von Anfang an gewusst, dass es nicht leicht werden würde. Bei ihrer Suche nach dem Jungen mussten sie schließlich bei Null beginnen. Sie wussten ja nicht einmal, wie er aussah, denn der Sire hatte ihn nur einmal kurz
gesehen und das war gleich nach der Geburt gewesen.Als einzige Information hatte er ihm die Augenfarbe des Jungen beschreiben können: hellgrün, wie die seiner Mutter und seiner Schwester. Eine Farbe, die Vandriyan nur zu gut kannte, denn die Augen von Eileen strahlten so wunderbar grün, dass die besten Dichter des Königreiches sich vergeblich mühten, einen passenden Vergleich für sie zu finden. Und noch ein eindeutiges Erkennungszeichen gab es: ein Paar Ohrringe. Es handelte sich um eine kleine Kostbarkeit aus äußerst fein gearbeitetem Gold, die seit Generationen in der Königsfamilie weitergegeben wurde. Ein Muster aus ineinander verschlungenen Efeublättern war in diesen Ringen eingraviert, und ein Buchstabe, ein elegant geschwungenes F, das Zeichen von Sire Feliran dem Dritten, dem Ersten, der diese Schmuckstücke getragen hatte. Man hatte sie dem Kind angelegt, ehe man es der Person übergeben hatte, die sich um ihn kümmern sollte, und da der König selbst die Anweisung gegeben hatte, dass der Junge zusammen mit seinem Begleiter fern von allen Städten oder bewohnten Gegenden leben sollte, bestand keine Gefahr, dass er sie abgenommen, verkauft oder verschenkt hatte. Der Sohn des Königs, der legitime Thronerbe, den sie wieder nach Dardamen bringen sollten, der trug sicher noch immer diese Ohrringe.
    Und seinen Begleiter, den Mann, dem das Kind anvertraut worden war, kannte Vandriyan nur zu gut: Es war ein vortrefflicher Mann, der absolutes Vertrauen verdiente. Er hatte das Kind bestimmt mit aller Fürsorge aufgezogen und ihm eine gute Erziehung angedeihen lassen. Er hatte ihn sicher von allem und allen ferngehalten, und ganz besonders von Gefahren, wie man es ihm geraten hatte. Jetzt mussten sie bloß noch diesen Begleiter ausfindig machen, dann würden sie auch den Jungen heil und gesund finden, der bestimmt bereit war, die ihm zustehende Position einzunehmen, sobald sie ihm alles erklärt hätten. Denn der Sire hatte noch etwas verfügt, als er sich entschieden hatte, seinen
Sohn wegzugeben: Er durfte nicht über seine Herkunft unterrichtet werden. Auf gar keinen Fall.
    Blieb also bloß noch dieses kleine Problem: Sie mussten ihn finden. Wer weiß, wohin es die beiden verschlagen hatte in dem Bemühen, ihre Existenz vor dem Rest der Welt geheim zu halten?
    Aber wir werden ihn finden, versprach sich Vandriyan. Selbst in diesen schwierigen Zeiten fühlte er, dass es ihm gelingen würde.
    »Syrkun ist in Sichtweite«, unterrichtete ihn Fardan und neigte ehrerbietig den Kopf. »Wollen wir dort rasten?«
    Vandriyan nickte. »Selbstverständlich. Vielleicht hat man auch Neuigkeiten für uns. Und vielleicht brauchen sie unsere Unterstützung.«
    »Wie Ihr wünscht«, erwiderte Fardan und scherte wieder in die Reihen seiner Männer ein, um ihnen Bescheid zu geben.
    Der Pfad, der bislang steil bergauf gegangen war, führte nun auf der anderen Seite des felsigen Kamms genauso steil wieder nach unten. In einer riesigen Talmulde erstreckte sich eine weite unbebaute Fläche, in deren Mitte sich die Festung erhob - mächtig, uneinnehmbar. Die Feste Syrkun, der nördlichste militärische Vorposten vor der

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