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Gefaehrten der Finsternis

Titel: Gefaehrten der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chiara Strazzulla
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hier sind für dich«, verkündete sie. »Du solltest sie anziehen, und wenn es dir wirklich so peinlich ist, dann kann ich mich natürlich auch umdrehen, bis du fertig bist.«
    Ihre Stimme klang spöttisch, doch Lyannen hoffte, dass sie trotzdem tun würde, was sie versprach. »Ja, danke, das wäre wirklich sehr freundlich von dir«, hauchte er und wunderte sich, dass ihm überhaupt ein so langer Satz über die Lippen ging.
    Wortlos drehte die Amazone sich um, aber Lyannen hatte an ihrem Gesicht ablesen könne, dass sie zumindest verdutzt war. »Ach, ihr Elben, ihr schämt euch ja wegen jeder Kleinigkeit«, bemerkte sie spitzfindig, während Lyannen sich hastig die violetten Seidenhosen überstreifte und dann zwischen den zusammengelegten Kleidern nach einem Gürtel suchte.
    »Ich bin kein Elbe«, entgegnete er und versuchte, das Thema zu wechseln. »Ich bin ein Halbsterblicher. Meine Mutter ist eine Sterbliche.«
    »Das sieht man«, sagte die Amazone. »Du bist, mit Verlaub gesagt, deutlich kleiner als gewöhnliche Elben, und dann diese dunklen Haare …«
    »Ja, als Ewiger bin ich eine ganz schöne Enttäuschung!« Schnaubend fand Lyannen heraus, dass an Stelle eines Gürtels eine doppelte Silberkette für ihn bereitlag, die mit Brillanten verziert war. »Aber ich bin nicht beleidigt. Daran erinnern mich die Leute jeden Tag.«
    »Dabei bist du wirklich gut gebaut«, bemerkte die Frau, und
Lyannen, der gerade damit beschäftigt war, sich den Umhang zu befestigen, war sehr froh, dass er ihr den Rücken zugewandt hatte, denn er war wieder rot geworden. Er knöpfte noch den letzten Knopf seines Hemdes zu, das ebenfalls aus violetter Seide war, und verkündete, dass er fertig war.
    Dann machte sich die Frau über seine Haare her. Sie seufzte auf, als sie sie ausbürsten musste, und verdrehte die Augen zum Himmel, sagte aber nichts. Trotz allem musste Lyannen grinsen. Auch seine Mutter hatte so geseufzt, als er noch ein kleines Kind war und sie schier nicht mit seiner Mähne zurechtkam. Die Frau hantierte noch eine Weile herum, dann rieb sie sich zufrieden die Hände und zog einen kleinen runden Spiegel aus der Tasche. »Da«, meinte sie stolz, »schau, wie du jetzt aussiehst.«
    Lyannen hielt den Spiegel mal hier und mal dort vor sich, damit er sich zur Gänze betrachten konnte. Schließlich befand er, dass er wirklich nicht schlecht aussah - wenn auch sehr ungewöhnlich. Und er wusste immer noch nicht, warum man ihn so hergerichtet hatte. Seine frisch gewaschenen Haare wirkten glänzender als sonst, und sie waren zu kleinen Strähnen gebunden, die von violetten Perlen gehalten wurden. Seine Hosen waren sehr weit. Die ganze Kleidung war äußert merkwürdig geschnitten.
    »Also, was sagst du?«, fragte die Amazone. Anscheinend erwartete sie ein Lob von ihm. »Wie findest du dich?«
    »Lächerlich«, platzte es aus Lyannen heraus. »Und das hat nichts mit den Kleidern oder der Frisur zu tun. Ich fühle mich einfach lächerlich, sonst nichts. Aber dazu neige ich ja.«
    »Hoffen wir mal, dass es Irdris gefällt«, sagte die Frau abschlie-ßend, jedoch mehr zu sich selbst.
    Lyannen fühlte jetzt wieder die Bedrohung, die über ihm lastete und die er einen Moment lang vergessen hatte. Wer war denn nun schon wieder Irdris? Und warum sollte es ihr gefallen, dass man ihn so verkleidet hatte? Und warum hatte man ihn so luxuriös behandelt? Er war doch ganz offensichtlich nur ein Gefangener.
Lyannen war sich sicher, dass es einen Grund für all das gab und dass der nicht unbedingt angenehm war.
    »Also gut, sag mir klar heraus:Was steckt hinter all dem hier?«, fragte er und ließ dabei seine Stimme so hart klingen, wie er nur konnte.
    Die Amazone lächelte erneut und Lyannen wäre schon wieder am liebsten im Erdboden versunken. »Du hast wirklich nichts als Sorgen im Kopf, oder?«, fragte sie, während er verlegen auf den Boden starrte. »Das kann einem ganz schön auf die Nerven gehen, weißt du? Ich habe es dir doch schon zigmal gesagt, seit ich dich aus deiner Zelle geholt habe. Also, ganz ruhig! Irdris ist ein liebes Mädchen und wird dir bestimmt nichts antun. Dazu ist sie gar nicht in der Lage.«
    »Na schön, aber was …«, begann Lyannen.
    Doch er konnte seinen Satz nicht zu Ende bringen, da die Amazone ihn noch einmal mit ihrer unglaublich dreisten Art verblüffte und ihm einfach ihre unberingte Hand auf den Mund legte. »Siehst du hier diese Tür?«, fragte sie, während sie die Hand auf seinem Mund beließ und mit

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