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Gefaehrten der Finsternis

Titel: Gefaehrten der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chiara Strazzulla
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Wohnsitz der Amazonen wirkte auf ihn ziemlich unheimlich, und er hatte keine Lust, auf einmal irgendwo allein im Dunkeln zu stehen.
    Plötzlich fiel der Lichtschein auf eine Wand direkt vor ihnen, die ebenfalls mit Gobelins bedeckt war. Darin bemerkte er eine breite Tür, vor der dicke rote Vorhänge hingen. Die Frau schob
sie zur Seite, hielt die Laterne hoch und schubste Lyannen durch die Tür.
    Ein helles Licht blendete den jungen Halbsterblichen und nach der Dunkelheit im Flur wich er ein paar Schritte zurück. Jetzt befanden sie sich in einem größeren Zimmer, das von Öllampen an den Wänden beleuchtet wurde. Das bunte Glas ihrer Fassungen verlieh dem Licht einen bläulichen Schimmer. Der Fußboden war wieder aus Holz, doch endlich gab es Fenster, auch wenn sie von Vorhängen aus demselben schweren roten Stoff wie dem an der Tür verdeckt wurden. Eines von ihnen musste allerdings etwas offen stehen, denn Lyannen erschauerte wegen eines kühlen Lufthauchs. In einer Ecke stand ein Bottich voller Wasser, daneben lagen einige gefaltete Handtücher. Zunächst dachte Lyannen, der stünde da, um das Wasser für irgendein Sammelsystem einzufangen, denn er erinnerte sich plötzlich daran, dass er auf der Militärakademie Stunden damit verbracht hatte, Behältnisse an strategisch günstigen Punkten aufzustellen, damit ein Platzregen nicht ihren Schlafsaal unter Wasser setzte. Dann sah er jedoch, dass nirgendwo etwas tropfte, und er vermutete deshalb, dass er hier eine Badewanne vor sich hatte. Er schaute zu der Amazone, die in der Zwischenzeit ihre Laterne gelöscht und auf dem Boden abgestellt hatte.
    Sie lächelte ihm aufmunternd zu. »Zieh dich aus«, meinte sie, ohne ein Anzeichen von Scham erkennen zu lassen.
    »Wie bitte?« Lyannen starrte sie an und hoffte, dass er sich verhört hatte.
    »Zieh dich aus«, wiederholte sie und wirkte überhaupt nicht verlegen dabei. »Ich soll dich baden.«
    »Oh!« Lyannen konnte nicht verhindern, dass er rot wurde. »Was hältst du davon, wenn du jetzt hinausgehst und mich das alleine machen lässt?«
    Die Frau schüttelte den Kopf und meinte: »Völlig ausgeschlossen. Das ist meine Pflicht.«

    »Ich laufe auch nicht weg«, sagte Lyannen. »Nicht, dass ich so etwas nicht vorhätte, aber ich wüsste ja gar nicht, wohin ich mich wenden sollte«, fügte er in einem plötzlichen Anflug von Aufrichtigkeit an.
    Nun lächelte sie ihn wieder an, diesmal eher amüsiert. »Ich glaube dir«, sagte sie. »Du würdest bestimmt nicht davonlaufen. Aber das hier ist eine alte Tradition, die befolgt werden muss. Sie verlangt, dass ich mich um dich kümmere.«
    »Äh,Tradition«, stammelte Lyannen und starrte den Fußboden an. »Ich … Ach verdammt, ich kann das nicht. Mir ist das peinlich.«
    »Aber warum denn?«, fragte sie zurück und Lyannen hatte das Gefühl, dass sie überhaupt nicht wusste, wovon er sprach.
    »Weil ich mich nicht nackt vor einer Frau zeigen kann«, sagte er mit dünner Stimme. Er war schon immer ein sehr schamhafter Junge gewesen, vielleicht weil er meinte, den anderen jungen Ewigen nicht ebenbürtig zu sein. Aber jetzt wäre er am liebsten im Erdboden versunken.
    »Ach was!« Sie wischte seine Bedenken mit einer Handbewegung beiseite, jetzt wirkte sie eher gelangweilt. »Stell dich nicht so an!« Und mit einer schnellen Bewegung zog sie ihm die Hosen herunter.
    Lyannen fühlte, wie er puterrot wurde. Er schämte sich die ganze Zeit, während sie ihn badete. Er wusste nicht, wohin er seinen Blick wenden oder was er machen sollte.Am liebsten wäre er ganz weit weg gewesen, von ihm aus auch auf der Lichtung bei den Zentauren, kurz vor einem hoffnungslosen Kampf. Die Amazone blieb völlig ungerührt, als verrichte sie eine ganz gewöhnliche Alltagshandlung, ja sie schimpfte mit ihm, weil er nicht einen Moment lang still sitzen konnte. Lyannen wand sich wirklich ständig hin und her und verspritzte überall Wasser, aber so wollte er nur irgendwie seine Blöße bedecken - was leichter gesagt als getan war.

    Schließlich wischte sie sich den Schweiß und die Wasserspritzer von der Stirn und reichte ihm ein Handtuch. »Los«, sagte sie. »Wir sind fertig. So einen wie dich hatte ich noch nie unter den Fingern, und glaube mir, das war keineswegs als Kompliment gemeint. Los, trockne dich ab.« Sie ging zu einem kleinen Schrank in einer Ecke und zog dort einen Stapel Kleider hervor, die sie auf eine der wenigen verbliebenen trockenen Stellen im Raum auf den Boden legte.
    »Die

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