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Gefaehrten der Finsternis

Titel: Gefaehrten der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chiara Strazzulla
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Und dann ließ er die Zügel knallen, trieb sein Pferd zum Galopp an, auf die fernen, aber dennoch erreichbaren Mauern zu.
    Tyke brachte sein Pferd dazu, so schnell zu galoppieren wie
noch nie in seinem Leben, obwohl das Tier und er müde und erschöpft waren. Doch das Pferd rannte, als hätte es begriffen, dass ihrer beider Leben und das sämtlicher Männer der Freien Garde auf dem Spiel stand, die ihnen folgten, als Letzter sogar der Regent. Nun ritten sie schweigend vorwärts. Nichts war jetzt noch wichtig, weder Stolz noch Ehre oder Angst. Da war nur noch diese kalte, stumme Wut in ihm und der feste Wille, die Stadt zu erreichen. In dieser schwierigen Lage brauchten die Männer einen Anführer, und als Tyke sich an ihre Spitze gestellt hatte, waren sie ihm instinktiv gefolgt. Es wirkte, als hätte ihnen schon die Tatsache, dass jemand sie anführte, neue Kraft gegeben. Sie durchbrachen die Reihen der Feinde beinahe mit der gleichen Leichtigkeit wie bei ihrem ersten Angriff, als der Gegner das absichtlich zugelassen hatte. Allerdings versuchte er jetzt verbissen, sie aufzuhalten, und schaffte es nicht, obwohl er ihnen zahlenmäßig weit überlegen war. Die Wut, die die Männer der Freien Garde antrieb, zog wie ein reißender Strom alles mit schrecklicher Wucht mit sich fort.
    Tykes Kopf war leer. In diesem Moment zählten nichts als sein Schwert, die Zügel in seiner Hand und der verzweifelte Angriff der Überlebenden dieses ruhmreichen Bataillons, die versuchten, die Stadt zu erreichen. Für jeden Mann, der fiel, um sich nie wieder zu erheben, gelang es zwei anderen, einige wertvolle Meter näher an die Stadtmauern heranzukommen. Tyke drehte sich um, so lange, wie die Situation es ihm ermöglichte, und sah, dass der Zug hinter ihm, sosehr er auch zusammengeschmolzen war, sich doch unerschütterlich hielt und die Reihen so fest wie möglich schloss. Der Regent leistete ebenfalls erbitterten Widerstand und kämpfte wie eine rächende Furie. Die Feinde wagten nicht, ihm ins Gesicht zu schauen. Doch auch Tyke vermochte es nicht. Er wusste, dass er es nicht konnte.
    Der Feind hatte inzwischen beinahe aufgegeben, sie zurückzuhalten. Als die Leute auf der Brustwehr sie immer näher kommen
sahen, fasste jemand Mut und begann wieder, Pfeile auf die Gegner abzuschießen. Die Goblins kamen gefährlich ins Wanken. Sie konnten es schaffen!, dachte Tyke, und ihm wurde klar, dass er wirklich daran glaubte. Nun kamen immer mehr Pfeile von der Brustwehr geschossen. Auch in der Stadt hatten sie bemerkt, wie nahe die Überlebenden inzwischen waren.Tyke trieb alle zu größter Eile an. Jetzt lag die Stadt nur noch hundert Meter entfernt. Noch ein letzter Ruck und sie hatten es geschafft.Von den Stadtmauern ertönten anfeuernde Rufe. Die Pferde waren am Ende, genau wie die Männer, nur die Aussicht auf die Zuflucht, die so nah vor ihnen lag, hielt sie aufrecht. Jetzt waren sie beinahe angekommen. »Das Tor!«, schrie Tyke mit rauer Kehle. »Öffnet das Tor! Öffnet das Tor!«
    Das Stadttor drehte sich langsam in seinen Angeln und öffnete sich. Die Leute hatten die Brustwehr verlassen, sie bevölkerten jetzt die Straßen und bejubelten die tapferen Helden. Tyke trieb sie bis zum Äußersten an, und dann strömte die Freie Garde, oder das, was von ihr noch übrig war, unter lautem Jubel der Menge durch das Tor in die Stadt. Die Gesichter der Männer waren von Schmerz gezeichnet. Sie hatten Freunde und Gefährten fallen sehen. Sie waren erschöpft und verwundet, doch beim Anblick ihrer Familien mussten sie lächeln.
    Tyke war zu Tode erschöpft, er konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen. Sein Blick ging suchend zum Regenten, der sich inmitten der jubelnden Masse befand, doch es war beinahe unmöglich, ihn dort auszumachen. Wieder fühlte sich Tyke wie ein Fremder in der lauten Menge aus hochgewachsenen hellblonden Ewigen, die in seinen Augen einander zum Verwechseln ähnlich sahen. Niemand beachtete ihn. Dann fühlte er, wie ihm die Kräfte schwanden. Er glitt zu Boden und wurde ohnmächtig.

EINUNDZWANZIG
    E S WAR ABEND im Stützpunkt der Amazonen. Seit zwei Tagen regnete es, aber Lyannen wusste das bloß, weil über ihm die Tropfen auf das Dach prasselten und mit einem entnervenden Geräusch durch ein kleines Loch in der Decke Wasser eindrang. Er hatte in diesen zwei Tagen der Gefangenschaft keinen Fuß vor die Tür gesetzt, und die Zelle, in der er eingesperrt war, verfügte nicht einmal über ein Fenster. Es war eng und

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