Gefaehrten der Finsternis
jünger war als Vandriyan. Ernst und schweigsam saß er da, sein blonder Zopf reichte ihm bis zur Taille. Alvidrin hatte gerade den Vorschlag von Lyannen und seinen Gefährten vorgetragen, der lautete, dass sie an Vandriyans Stelle aufbrechen wollten, um Eileen zu suchen. Der Hauptmann hatte bis zu diesem Moment noch kein Wort geäußert. Er hatte nur ernst und nachdenklich zugehört, und obwohl der Sire ihm das eine oder andere Mal einen fragenden Blick zugeworfen hatte, hatte er nicht reagiert. Nun hatte Alvidrin seine Rede beendet, in der er seine Bedenken äußerte, ob vier junge Absolventen der Militärakademie wohl in der Lage waren, mit einer Situation von dieser Tragweite fertig zu werden. Im Ratssaal herrschte absolutes Schweigen. Die Feldherren und auch der Sire waren so in Gedanken
versunken, dass man ihnen in dieser totalen Stille beinahe beim Denken zuhören konnte. Schließlich wandte sich Myrachon Vandriyan zu und die anderen folgten seinem Beispiel. Doch Vandriyan schwieg. In diesem Augenblick war seine Anspannung fast körperlich fühlbar.
Der Sire räusperte sich. »Ich glaube, dass ich als Erstes Eure Meinung hören muss,Vandriyan.«
»Ich habe nichts zu sagen«, sagte Vandriyan so nüchtern wie immer. Ohne dem Blick von Myrachons dunklen Augen auszuweichen, fuhr er fort: »Ich glaube, Ihr wisst so gut wie ich, was das Orakel mir verkündet hat.« Er zögerte kurz, als würde es ihm große Mühe bereiten weiterzusprechen. »Und was es über Lyannen gesagt hat.«
Myrachon nickte schweigend, auch Brandan bedeutete seine Zustimmung.
»Die Prophezeiungen über mich sind sicher allen Anwesenden bekannt«, fuhr Vandriyan fort. Nun lächelte er, doch in seinem Lächeln lag nichts Heiteres. »Ihr wisst, wie die Dinge liegen. Mein Schicksal ist durch ein doppeltes Band mit dem der Weißen Hauptstadt verknüpft. Solange ich lebe, kann Dardamen nicht eingenommen werden. Solange mein Herz schlägt, darf sich niemand Hoffnungen machen, unsere Hauptstadt zu erobern, auch wenn die Finsternis selbst es versuchen wollte. Doch wenn ich sterbe, wird Dardamen fallen.« Immer noch umspielte ein feines Lächeln seine Lippen, als hätte er nicht gerade eine der schlimmsten Aussichten für das Reich ausgesprochen. »Ihr wisst auch, dass ich trotz dieser Prophezeiung stets meine Pflicht erfüllt habe, in Friedens- wie in Kriegszeiten, innerhalb und außerhalb von Dardamen, und ich bin dabei nie einer Gefahr aus dem Weg gegangen. Ich habe in drei Kriegen gegen die Finsternis gekämpft, und das immer an vorderster Front. Ich bin sogar ganz allein in Algus’ Schlupfwinkel vorgedrungen. Ich werde mich auch jetzt nicht zurückziehen, dieses Mal sogar weniger denn je. Wenn es
eine Gefahr anzugehen gibt, so stehe ich bereit.« Wieder nickte der Sire schweigend und Alvidrin lächelte den Hauptmann zustimmend an. Doch Vandriyans Herz fühlte sich deswegen nicht leichter. Er bezweifelte, ob irgendetwas es in diesem Moment erleichtern konnte, angesichts dessen, was er gleich gegen seinen Willen sagen würde.
»Anders liegen die Dinge bei Lyannen. Ich bin sein Vater, und soweit ich es beurteilen kann, kann ich mich für ihn verbürgen. Er ist ein ernsthafter Junge, und normalerweise weiß er, was er sagt. Er ist keiner von denen, die einfach drauflos plappern, ohne zu wissen, was sie gerade von sich geben.Wenn er vorgeschlagen hat, dass er gehen könnte, dann wusste er, was er sagte. Und wenn er das getan hat, dann heißt das auch, er glaubt, dass er es schaffen könne. Und wenn er daran glaubt, dann erlaube ich mir, ebenfalls davon auszugehen, dass er dazu in der Lage sein könnte. Jeder von uns kennt sich selbst besser als jeder andere und Lyannen macht da keine Ausnahme.Wenn er allen Ernstes glaubt, es schaffen zu können, dann ist es sehr wahrscheinlich, dass es ihm wirklich gelingt.«
Der Sire verschränkte die Hände in seinem Schoß. »Was Ihr sagt, ist sehr interessant,Vandriyan«, sagte er leise und freundlich. »Ich setze mehr Vertrauen in Euch als in jeden anderen und das wisst Ihr auch.Wenn Ihr mir sagt, Ihr seid davon überzeugt, dass Euer Sohn es schaffen könnte, dann werde ich Euch selbstverständlich glauben. Doch Ihr könnt Euch sehr vorsichtig ausdrücken, wenn Ihr wollt, und eben wart Ihr äußerst vorsichtig. Es ist Euch gelungen, zur selben Zeit alles und nichts zu sagen - mein Kompliment. Allerdings würde ich gerne wissen, was Ihr wirklich denkt. Also, glaubt Ihr tatsächlich, dass es das Beste wäre,
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