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Gefaehrten der Finsternis

Titel: Gefaehrten der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chiara Strazzulla
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Rat zu. »Sehr gut. Ich glaube kaum, dass ich Euch daran erinnern muss, wie wenig Zeit uns bleibt.Tun wir also, was wir tun müssen, und zwar schnell.«

VIER
    E S HÄTTE VIELE gute Gründe dafür gegeben, dass diese Stille über dem Kartensaal lastete: Anspannung zum Beispiel, Verlegenheit oder gar Überraschung. Doch nichts davon traf gerade zu; die Stille war einfach der besonderen Atmosphäre dort geschuldet. Im Inneren der Großen Bibliothek von Dardamen und noch mehr in jenem Saal, dem größten und ältesten der gesamten Residenz, hatte man zwischen den riesigen, mit vergilbten Pergamenten überhäuften Tischen, den sich hoch zum Kreuzgewölbe erstreckenden Regalwänden und dem fahlen Lichtschein, der durch die Spitzbogenfenster und die weißen langen Leinenvorhänge hereindrang, das Gefühl, sich an einem geheiligten Ort zu befinden. Einem Ort, der jedem instinktiv Respekt abnötigte. Und wenn man seine Stimme zu etwas mehr als einem Flüstern erhob, fühlte man sich peinlich berührt, als entweihte man damit die Heiligkeit dieses Ortes. Seit der Bibliothekar den Saal verlassen hatte, um sie mit all den Büchern und den Karten allein zu lassen, und das Echo seiner Schritte hinter der geschlossenen Tür im Flur verhallt war, hatten der Sire und seine Ratgeber sich nur im Flüsterton unterhalten - ganz zu schweigen von Lyannen und seinen Freunden. Und nun, wo es unabdingbar war, lauter zu sprechen, damit jeder der Anwesenden zuhören konnte, schien es selbst Myrachon unangenehm zu sein, seine Stimme zu erheben.

    Auf dem mächtigen Ebenholztisch mit den bemalten Beinen hatte der Sire die größte und genaueste Karte der Benachbarten Reiche ausgebreitet, die es innerhalb und wahrscheinlich auch außerhalb der Grenzen des Ewigen Königreiches gab. Die ältesten Linien auf dieser Karte waren schon zu Zeiten der Ersten eingezeichnet worden, und da die Welt sich im Laufe der Jahre unablässig verändert hatte, hatte eine unermüdliche Schar von Geographen ständig neue Details hinzugefügt oder mit roten Schraffierungen die zerstörten und nie wieder aufgebauten Städte, die abgeholzten Wälder, die durch Erdrutsche abgestürzten Hügel und trocken gelegten Sümpfe markiert. Buchstaben aus roter Tinte erinnerten an die ehemaligen Namen der Städte, die mittlerweile andere Namen trugen, und an Schlachtfelder der Vergangenheit. Daher half diese Karte nicht nur dabei, auf Reisen alle Straßen in den Benachbarten Reichen zu finden, sie stellte auch ein Stück des kollektiven Gedächtnisses der Ewigen dar und erinnerte an alles, was in den Jahrtausenden der Geschichte bestanden hatte und jetzt nicht mehr war. Zu Recht musste diese Karte für die Nachwelt bewahrt werden.
    Rund um den Tisch schauten die Ratgeber wie die vier jungen Männer mit Staunen und Ehrerbietung auf das uralte Pergament, das ihre auf ewig entschwundene Vergangenheit bewahrte - ein stummes Zeugnis des Niedergangs der Ewigen seit den Zeiten, als noch alle Völker in glücklicher Gemeinschaft auf der Erde gelebt hatten und es noch in keiner Sprache ein Wort für »Krieg« gab.Vandriyans Augen waren rasch über die Karte geglitten und hatten die Namen der Orte gefunden, an denen er die Finsternis bekämpft hatte, als schon alles verloren schien, und die der Orte, an denen seine Brüder, die Ersten, gefallen waren. Dem Sire kam ganz offensichtlich wieder jener Tag hoch im Norden in den Sinn, an dem der Zauberer Algus durch sein Schwert den Tod gefunden hatte und sich vieles für immer änderte. Alle Könige vor ihm waren nur noch Namen und Daten auf dieser Karte. Der
Tod auf dem Schlachtfeld hatte sie einander gleich gemacht - der Tod, dem Myrachon zumindest schon einmal entgangen war.
    Lyannens Blick sprang neugierig über die endlose Fläche der Benachbarten Reiche, die im Süden vom Schriftzug begrenzt wurde, der den Namen des Meeres nannte, im Westen von dem der Berge und im Osten von der nicht näher bezeichneten Linie, die die Grenze zu den Unbekannten Ländern darstellte. Was dahinterlag, wusste niemand, denn niemand war jemals von dort zurückgekehrt, um davon zu berichten. Lyannen suchte die Namen der großen Festungen und der Schlachten aus den Erzählungen, denen er an den Abenden seiner Kindheit gelauscht hatte. Die Orte, an denen die Helden seiner Träume mit ihren Taten Geschichte geschrieben und Stoff für Legenden geliefert hatten. Die Festung Syrkun relativ weit im Norden, ein uneinnehmbares Bollwerk, das stets jedem Gegner widerstanden

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