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Gefaehrten der Finsternis

Titel: Gefaehrten der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chiara Strazzulla
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hatte. Andererseits, wenn er Lyannen und seine Freunde auf diese Mission schicken würde, konnte er auch ebenso gut ihr Todesurteil unterzeichnen. Sie waren zu jung, zu unerfahren angesichts einer Gefahr, die sie nicht einschätzen konnten. Keiner der jungen Männer hatte die geringste Vorstellung davon, was sie erwartete. Was war also die schlimmere Möglichkeit? Vandriyan wälzte sich auf seinem Lager, bis er ganz nah bei Sasha war und ihren Atem auf seinem Gesicht spüren konnte.
    »Es ist so schwer«, murmelte er.
    »Ich weiß.« Er fühlte, wie ihre Finger ihm durch die Haare fuhren, und er wünschte sich, dass sie damit niemals aufhören, dass sie ihm ewig beistehen würde. »Ich weiß. Es ist auch für mich schwer, Vandriyan. Jeden Tag muss ich fürchten, euch zu verlieren, zur Zeit mehr als je zuvor.« In ihrer Stimme klang ein dumpfer Schmerz mit, aber auch die Kraft, ihn so lange wie nötig zu ertragen. Und Vandriyan war ihr dankbar dafür, dass sie so stark war, denn ohne ihre Kraft hätte es keiner von ihnen je geschafft zurückzukehren. Stille legte sich wieder über das Zimmer, Stille, in der Vandriyans regelmäßiger Herzschlag laut in Sashas Ohren pochte. Allen Widrigkeiten zum Trotz war das Herz dieses Ersten in den vielen Jahrtausenden, die es schlug, des Schlagens nicht müde geworden.

    »Lyannen sitzt immer noch draußen«, meinte Sasha nach einer Weile. Ihre Finger fuhren weiterhin zerstreut durch Vandriyans Haare. »Ich weiß, was du fühlst, mir geht es genauso. Jedes Mal möchte ich die Türen und Fenster des Hauses verbarrikadieren und euch am Fortgehen hindern. Doch er wird nie mehr Frieden finden, wenn du ihm jetzt nicht seine Chance gibst. Jeder andere würde sie bekommen.« Jetzt lag in ihrer Stimme eine Art unterdrückte Wut. »Meinst du, sie hätten auch nur einen Moment gezögert, wenn es nur um Alvidrins Sohn ginge oder um Validen den Goldenen? Sie sind nicht Lyannen. Ein Nein ihm gegenüber hätte eine völlig andere Bedeutung.«
    Vandriyan seufzte noch einmal auf. »Ich wäre auf jeden Fall dagegen gewesen«, entgegnete er. »Egal, ob es sich nun um Validen oder Drymn oder einen anderen gehandelt hätte. Hier geht es nicht um die Frage, ob man ein Ewiger ist, diesmal nicht. Jetzt geht es nur darum, ob sie für ein solches Unternehmen bereit sind, und das ist keiner der Jungen.« Ohne es zu wollen, hatte er seine Stimme erhoben, bereute es aber sofort, dass er die intime Stille der Nacht durchbrochen hatte. »Lyannen wollte nicht zulassen, dass ich mich opfere.Warum sollte ich jetzt zulassen, das er sich opfert? Er ist doch mein Sohn.«
    »Ganz genau. Er ist dein Sohn.« Sashas Stimme klang jetzt ernst. »Deshalb musst du ihm seine Chance geben. Glaubst du etwa, es ist besser für ihn zu leben, wenn er sein Dasein dann in dem Bewusstsein fristen muss, dass man ihn wieder einmal nicht für würdig befunden hat? Lyannen ist in vielerlei Hinsicht außergewöhnlich,Vandriyan. Ich weiß das, du weißt das, und ich möchte wetten, dass auch der Sire das weiß. Du bist es ihm schuldig.«
    Vandriyan wollte nichts entgegnen. Er ergriff ihr Handgelenk, zog sie in der Dunkelheit zu sich heran und küsste sie. »So soll es sein«, beendete er ihr Gespräch. In seinem Inneren löste sich etwas, doch das brachte ihm keine Erleichterung. »Aber ich bin mir
nicht sicher, ob ich das Richtige tue, was immer du auch vorbringen magst, Sasha. Ich bin mir ganz und gar nicht sicher, nicht jetzt, nicht morgen im Hohen Rat, und wahrscheinlich werde ich es niemals sein.«
     
    Auch dieses Mal waren die Fensterläden des Saales des Hohen Rates geschlossen, auch an diesem Morgen war alles in Dunkelheit getaucht. Der Schein, der durch das Oberlicht hereinfiel, musste ihnen genügen. Ein Großteil der normalerweise vollzählig besetzten Stühle war leer. Die Lage war so heikel, dass man sie nur im engen Kreis besprechen durfte: mit dem Sire, dem Hohen Ratgeber Alvidrin und einigen der Feldherren, die bereits in den Kriegen gegen die Finsternis gekämpft hatten.
    Vandriyan saß neben Alvidrin und ein finsterer Ausdruck verdüsterte sein schönes Gesicht. Brandan Stolzblitz, der Hauptmann der Berittenen Blitztruppen, dessen Reitkünste legendär waren - man sagte, dass er es mit dem Wind selbst aufnehmen könnte -, saß zur Linken des Sire. Seine blonden Locken fielen ihm auf die Schultern und die orangefarbene Uniform seiner Division. Und Venissian der Schütze war anwesend, der ungefähr zwei Generationen

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