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Gefaehrten der Finsternis

Titel: Gefaehrten der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chiara Strazzulla
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hatte und in dessen Mauern noch kein Feind je seinen Fuß gesetzt hatte. Die Kette der Grenzstädte an der äußersten Nordgrenze des Reiches, die aneinandergereiht eine Art Schutzwall bildeten und sich gleich zwei Gefahren stellen mussten: dem Nebelreich vor ihnen und der Wüste der Ödnis hinter ihnen. Er sah den Schroffen, der mit seinen Ausläufern die Ostgrenze bildete, die Letzte Grenze, hinter der sich die Unbekannten Länder erstreckten. Dann die blühenden, fernen Städte am Meer im Süden, die dem Reich eigentlich nur noch dem Namen nach angehörten. Und die Goldene Stadt, die mitten im Reich der Wälder lag und in der Sterbliche, Ewige und Gnome, ja sogar Goblins und Kobolde es gegen jede Wahrscheinlichkeit schafften, friedlich zusammenzuleben. Die Tore von Feenquell, die nur der fand, der den Weg dorthin bereits kannte. Schließlich fiel Lyannens Blick auf den Druidenkreis, der in jenen Zeiten entstanden war, als die Sterblichen Zauberer waren, zwischen den Steinen ihre Götter anbeteten und mit den Mitteln der Magie das Geheimnis der Unsterblichkeit
zu ergründen suchten. Ein ferner Punkt, der sich in der endlosen Weite der Nordlande verlor, im unumstrittenen Herrschaftsgebiet der Dämonen, in das sich seit Jahrtausenden kein Ewiger mehr wagte. Dort oben lag das Ziel ihrer Reise, und die Karte schien sie beinahe höhnisch darauf hinzuweisen, wie weit der Weg von Dardamen aus war. An der Strecke sah man zahlreiche Namen von verschwundenen Städten und blutigen Schlachten, Orte, an denen Gefahr und Tod drohten. Hinter dem Wald ohne Wiederkehr, der große Teile des Westens bedeckte, hinter der Wüste der Ödnis, hinter der Grenze, hinter dem Nebelreich, mitten im Herzen der schrecklichen Heimat der Dämonen, da lag das Ziel ihrer Reise - ein winziger, ferner Punkt auf der beinahe unendlichen Fläche der Benachbarten Reiche. Nun erst wurde Lyannen und seinen Gefährten richtig bewusst, wie viele Schwierigkeiten und Gefahren ihre Reise bereithielt.
    »Ihr könnt es schaffen«, sagte Vandriyan nun freundlich und legte Lyannen seine Hand auf die Schulter.
    Sein Sohn drehte sich nach ihm um und sah, dass der Vater ernst wirkte, aber doch zumindest ruhig und gelassen war. Augenblicklich fühlte sich Lyannen sicherer.
    Vandriyan wandte sich wieder der Karte zu und beschrieb mit seiner Hand eine ausholende Bewegung, wie um deren Größe zu unterstreichen. »Der Weg ist weit«, fuhr er leise und nachdenklich fort. Jetzt fiel Lyannen auf, dass er es gar nicht als unangenehm empfand, dass die Stimme seines Vaters nun die Stille des Raumes durchbrochen hatte. »Doch jeder Weg ist weit, ganz egal wie lang er ist, wenn man sein Heim verlassen muss und Gefahren vor einem liegen. Und jeder Schritt, der dich von deinem Heim fortbringt, kommt dir doppelt so lang vor, wenn du dabei an die Rückkehr denkst. Doch dann macht man einen Schritt nach dem anderen und irgendwann ist die Hälfte des Weges geschafft, und dann wird einem klar, dass man endlich den Punkt
erreicht hat, an dem man leichter vorwärtsgeht als umkehrt. Mir geht es jedes Mal so, wenn ich aufbrechen muss, und ich reise seit so vielen Jahren, dass ich sie selbst kaum zählen könnte.« Er nahm seine Hand von Lyannens Schulter und wandte sich jetzt an alle vier Jugendlichen, die ihm aufmerksam, doch erhobenen Hauptes zuhörten. »Glaubt daher nicht, es fiele mir leichter als euch fortzugehen. Wir befinden uns in genau derselben Lage, denn auch ich muss bereits in drei Tagen wieder aufbrechen, so wie ihr. Unterwegs sind alle gleich, es spielt keine Rolle, wie viel wir wissen, wie viel wir gesehen haben oder seit wie langer Zeit wir schon auf dieser Welt sind. Jeder Aufbruch fühlt sich an, als wäre es das erste Mal, und jedes Mal weiß man, dass man vielleicht nie mehr zurückkehren wird.«
    Der Sire nickte, und nun, da es Vandriyan gelungen war, seine Stimme zu erheben, ohne dadurch die Stille des Raumes zu stören, war es, als ob der Bann gebrochen wäre und alle frei reden könnten. »Ihr sprecht eine große Wahrheit aus,Vandriyan«, sagte Myrachon lächelnd. »Doch eigentlich solltet Ihr noch hinzufügen, dass man niemals ganz zurückkehrt. Aber da unsere vier jungen Burschen hier auf Gedeih und Verderb ins kalte Wasser geworfen werden, sollten wir Alten ihnen zumindest erklären, wo Klippen und Untiefen lauern. Aus diesem Grund sind wir schließlich hier.« Sein Finger legte sich auf die Karte, genau auf den fernen Punkt des Druidenkreises. »Dort oben liegt

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