Gefaehrten der Finsternis
den Vorschlag dieser jungen Burschen anzunehmen?« Er hatte die Frage sehr ruhig gestellt und Vandriyan dabei mit seinen dunklen Augen angeblickt, als wäre dies die einfachste aller Fragen. Doch im Grunde wusste er nur zu gut, wie schwer es
dem Hauptmann fallen würde, eine eindeutige, klare Antwort zu geben.
Die Augen von Alvidrin, Brandan und Venissian ruhten nun erwartungsvoll auf Vandriyan. Der schluckte schwer. Nun war der Moment gekommen, Stärke zu zeigen. »Ich sage nicht, dass es die beste Entscheidung wäre«, antwortete er genauso schlicht, wie der Sire seine Frage gestellt hatte. »Ich sage nur, dass es sich nach Abwägung aller Vor- und Nachteile als eine umsichtige Entscheidung erweisen könnte. Ich verfüge über mehr, wesentlich mehr Erfahrung, das stimmt; aber das will nichts heißen. Manchmal kann der Unternehmungsgeist eines jungen Mannes mehr nützen als all die Erfahrung eines Veteranen. Und dann gibt es ja noch den Orakelspruch über Lyannen.«
»Dass er das Reich retten wird, meint Ihr das?« Die Stimme von Brandan Stolzblitz dröhnte in den Wänden des Sitzungssaales genauso laut, wie sie sich oft auf offenem Feld erhoben hatte, ungezwungen und volltönend wie die Stimme eines Befehlsgebers.
»Dass er das Reich retten könnte, Brandan«, berichtigte ihn der Sire und schenkte dem berühmten Helden ein fast väterliches Lächeln. »Die Zukunft ist etwas Wandelbares und eine Prophezeiung drückt niemals etwas Endgültiges aus. Doch ja, im Grunde ist das der Sinn. Das hat das Orakel vor Jahren gesagt. Wenn wir in Not sind, wird es Lyannen der Halbsterbliche sein, der uns alle retten kann. In Anbetracht der Bedeutung dieser Prophezeiung grenzt es ja fast an ein Wunder, dass wir sie so lange geheim halten konnten. Das war auch der Grund, weshalb wir Lyannen vom Heer fernhalten mussten, nicht seine Herkunft, wie es alle angenommen haben. Aber wir durften nichts riskieren, denn wir mussten das Geheimnis unbedingt wahren. Jetzt hat sich die Lage verändert, und ich denke, dass wir unsere Prioritäten überdenken müssen.« Er wandte sich wieder Vandriyan zu und erneut richteten sich auch die Augen der Feldherren auf den Hauptmann. »Ich verstehe Eure Lage,Vandriyan, Ihr müsst nichts weiter sagen.
Schließlich geht es darum, Euren Sohn auf eine ungemein gefährliche Mission zu schicken, und kein Vater würde das leichten Herzens tun. Ich weiß nur zu gut, dass Ihr ebenfalls unverzüglich aufbrechen würdet, wenn ich es Euch befehlen würde. Aber letzten Endes zählt bei dieser Entscheidung mehr als Eure oder meine Meinung. Hier steht Prophezeiung gegen Prophezeiung, und ich möchte gern der vertrauen, die für uns günstig ist.Wahrscheinlich hattet Ihr recht, als Ihr sagtet, dass es die umsichtigere Entscheidung ist, den Vorschlag der jungen Männer anzunehmen. Also, meinen Segen haben sie.« Er sah jeden der Anwesenden der Reihe nach an. »Noch Fragen? Oder Einwände?«
Venissian hob bescheiden eine Hand. »Sie könnten einen Führer gebrauchen.«
»Wir werden ihnen eine detaillierte Karte mitgeben und unsere Ratschläge.« Vandriyan wandte sich fragend an den Sire und Myrachon bedeutete ihm fortzufahren. »Wenn wir ihnen jemand Fremden als Führer aufdrängen würden, würde das unsere Entscheidung hinfällig machen. Wir verlassen uns auf ihre Intuition und auf Lyannens Prophezeiung. Selbstverständlich werden wir genau überlegen, wie wir sie vor der Abreise und während ihrer Unternehmung unterstützen können, und sie mit allem Notwendigen versorgen. Aber sobald sie einmal unterwegs sind, werden sie auf sich allein gestellt sein.«
»So soll es sein.« Myrachon klang sehr entschlossen. »Jeder muss sich allein seiner eigenen Verantwortung stellen und wir dürfen auch den Krieg nicht vergessen. Ich bezweifle nicht, dass wir all unsere Kräfte auf dem Feld benötigen werden, falls wir irgendetwas erreichen wollen.Vandriyan«, sagte er und führte die rechte Hand in einer weiten Bewegung auf seinen Hauptmann zu, der ehrerbietig den Kopf senkte. »Ihr sollt den Jungen unsere Entscheidung überbringen. Ich vertraue auf Euer Feingefühl. Und auf Eure Fähigkeit zu erkennen, was gesagt werden muss und was man besser verschweigen sollte. Wenn Lyannen nichts
von der ihn betreffenden Prophezeiung weiß«, fügte er bedeutungsvoll an, »dann besteht auch jetzt keine Notwendigkeit, ihn unnötig zu verwirren, indem wir sie ihm eröffnen.« Wesentlich förmlicher wandte er sich wieder dem gesamten Hohen
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