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Gefaehrten der Finsternis

Titel: Gefaehrten der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chiara Strazzulla
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Kettenhemd feucht und taub an, doch die Panzerung hatte keinen Riss davongetragen. Er betrachtete seine Finger und sah, dass sie rot waren. Er musste sie nicht erst an den Mund führen, um zu wissen, dass es Blut war.
    Hatte er etwa eine tödliche Wunde empfangen?
    Von Schmerz gequält, blickte er zum Herrn der Finsternis empor. Nun, wo er auf Knien kriechen musste, ragte sein Gegner hoch über ihm auf. Er schien so viel größer zu sein. Und er lachte immer noch - und sein Lachen besagte mehr als Worte. Ja, seine Wunde war tödlich. Lyannen konnte ihm nicht mehr in die Augen sehen und wandte den Blick ab. Wieder einmal suchten seine Augen instinktiv und grundlos den Blick von Scrubb.
     
    Die Flamme loderte so plötzlich hoch, dass sogar der Herr der Finsternis in einer Mischung aus Verwunderung und Zorn aufschrie. Lyannen schaffte es gerade noch, die Augen zu erheben, auch wenn es ihm immer schlechter ging. Er wusste, dass das hier etwas war, das er sehen musste.
    Auch der Herr der Finsternis blickte nach oben und in seinem Gesicht zeichneten sich Schrecken und Enttäuschung ab.
    Es traf ihn völlig unerwartet.
     
    Scrubb hatte noch nie etwas Ähnliches empfunden. Er hätte es auch gar nicht beschreiben können. Es war ein ungewohntes und großartiges Gefühl - schmerzhafte Vollendung, so hätte man es vielleicht umschreiben können. Das Feuer brannte in ihm und
um ihn und verletzte ihn doch nicht. Eine Flamme kann sich nicht selbst verzehren; sie kann nur so lange brennen, wie etwas sie nährt, und muss verlöschen, wenn der Brennstoff zur Neige geht. Aber die Flamme, die in ihm loderte, hatte einen Punkt erreicht, dass sie sich einfach entzünden musste.
    Er kannte diese Flamme, obwohl er ihr niemals einen Namen hatte geben können. In gewisser Weise hatte sie, wenn auch im Verborgenen, schon immer in seiner Brust gelodert, schon seit seiner Geburt. Ohne es zu wissen, spürte er, dass sie da war. Er konnte mit allen Flammen der Welt dort draußen spielen, weil er wusste, dass in ihm eine innere Flamme brannte, die seine Seele verzehren konnte. Und das war die Flamme, deren Name er trug.
    Er wusste es nicht, doch diese Flamme war Rebellion.
    Ein Teil von ihm hatte niemals hinnehmen wollen, was dort draußen vor sich ging. Dieser Teil missbilligte Gylions Worte, fand den Krieg ungerecht und grausam und das Verhalten von Dämonen im Allgemeinen schrecklich. Er wusste, dass ein Teil seiner Persönlichkeit all dies niemals gutheißen konnte.Aber bislang hatte sein dämonenhafter Instinkt überwogen. Wenn es etwas zu töten gab, war er immer an vorderster Front gewesen. Das war eben seine Natur, dagegen konnte er sich nicht wehren. Allein der Anblick von Blut ließ ihn den Kopf verlieren und er musste einfach töten.
    Doch während der letzten Schlacht war etwas geschehen, was ihn tief in seinem Innersten erschüttert hatte.
    Urplötzlich hatte sein scharfer Verstand wieder eingesetzt, als er mitten im Schlachtengetümmel war. Er hatte sich auf einmal mit einem Säbel in der Hand wiedergefunden, von dem schwer das Blut tropfte. Seine Haare waren zerwühlt und er starrte von oben bis unten vor Dreck und Blut, das nicht seines war, stand allein auf einem Haufen noch warmer Leichen von Ewigen. Und da war ihm auf einmal klar geworden, dass er für dieses Gemetzel
verantwortlich war. Er hatte einen bitteren Zorn empfunden, dass er sich so hatte gehen lassen. Das war nicht er selbst gewesen, das hatte er nicht begangen. Er hätte so etwas nicht gewollt.
    In seiner Wut hatte er den Blick erhoben, und vor seinen Augen hatte sich eine Szene abgespielt, die ihm zu Herzen ging.
    Ein junger Mann, der ein Halbsterblicher zu sein schien und ihm irgendwie vertraut vorkam, obwohl er ihn noch nie zuvor gesehen hatte, trug auf seinen Schultern den Leichnam eines Gefährten. Er musste völlig erschöpft sein, und doch marschierte er vorwärts mit den wenigen Kräften, die ihm noch blieben. Da war in Scrubb ganz unvermittelt der Wunsch aufgestiegen, ihm zu helfen. Aber dann hatte der junge Halbsterbliche ihn angesehen. Hart, beinahe verächtlich. »Los«, sagte er, »töte mich.«
    Und Scrubb hatte gewusst, dass er niemals dazu in der Lage gewesen wäre.
    Nach dieser Begebenheit hatte ihn nur die Treue, die er Gylion schuldete, davon abgehalten, diesem Krieg den Rücken zu kehren und fortzugehen, oder schlimmer noch, sich aufzulehnen und auf die Seite der Ewigen zu wechseln. Doch wenn ihn auch sein Ehrgefühl verpflichtete, an seinem

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