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Gefaehrten der Finsternis

Titel: Gefaehrten der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chiara Strazzulla
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Platz zu bleiben, was immer auch geschah, so widersetzte sich dem doch sein Gewissen. Er wusste nicht, wie lange er dieses labile Gleichgewicht noch aufrechterhalten konnte, aber sicher nicht mehr allzu lange.
    Es gab eine Grenze für das, was er ertragen konnte. Und diese Grenze war jetzt erreicht.
    Als er spürte, dass er die Kontrolle über sich verlor, hatte er keine Angst. Er spürte nur, dass er sich endlich gehen lassen durfte, dass er die Flamme in seinem Inneren hell auflodern und so all seinem unterdrückten Zorn und seiner Empörung freien Lauf lassen wollte.
    Der Boden schwand unter seinen Füßen, die ersten Flammenzungen umhüllten seinen Körper wie ein warmes, brennendes Tuch. Er ließ den Dingen ihren Lauf, ließ geschehen, was geschehen
musste, nun, da alles zu Ende war. Er stieß sich vom Boden ab und ließ sich einfach treiben.
    Die Schreie von Lyannen und Gylion drangen kaum an seine Ohren. Scrubb breitete die Flügel aus und schwebte mindestens zwanzig Meter über der Erde, sein Körper hatte nun wieder die schwarz glänzende Gestalt eines Dämons angenommen. Sein Gewand glitt ihm von den Schultern. Er ließ es zu Boden fallen, und es störte ihn nicht, dass er nun nackt war. Seine scharlachroten Haare umwehten seine Schultern in tausend Flammentönen, sie wehten im heißen Wind seiner eigenen Macht. Auch mit geschlossenen Augen nahm er die Kraft der Flammen wahr, die ihn umhüllten. Er war eine schwebende lebendige Fackel, ein überirdischer Zaubervogel, er war Phönix aus der Asche. Feuerzungen leckten heiß und angenehm an seiner Haut, ohne ihn zu verbrennen. Eine Flamme kann sich nicht selbst verzehren und so konnte diese Flamme ihn nicht verbrennen. Das Feuer war in ihm und um ihn herum. Er selbst war das Feuer.
    Scrubb öffnete die Augen. Die Kraft des Zaubers pulsierte in ihm, drängte machtvoll nach draußen, um sich dort in den Flammen zu entladen. Er sah das erschütterte, verzerrte Gesicht von Gylion und hörte ihn laut seinen Namen rufen. Zorn lag in dieser Stimme, aber auch Angst.
    »Scrubb! Komm da sofort wieder runter!«
    Er blickte ihn an - nun fühlte er fast Mitleid mit ihm. Gylion hatte sich verrechnet. Er hatte gedacht, er könne über sie alle herrschen, und nicht begriffen, wie verwundbar er ohne die Unterstützung seiner Verbündeten war.
    »Scrubb!«, schrie Gylion wieder. »Komm her! Das ist ein Befehl!«
    Doch Scrubb schüttelte den Kopf. »Die Zeit, da du mir Befehle erteilen konntest, ist vorbei, Gylion.«
    »Verdammter Mistkerl!«, fluchte Gylion. »Verdammter Verräter!«

    »Nein, Gylion«, sagte Scrubb beinahe sanft.Von Flammen umgeben, erhob sich seine Hand zum Himmel. »Ich habe nur meine Wahl getroffen. Ich habe entschieden, auf welcher Seite ich stehen möchte.«
    Eine Feuerwalze traf mit einer solchen Gewalt am Boden auf, dass sogar Scrubb sich über seine eigene Macht wunderte. Wie ein reißender Strom, der über seine Ufer getreten war, fegte sie über das Schlachtfeld. Lyannen kauerte sich zusammen und erwartete seinen Tod. Doch die Flammen gingen durch ihn hindurch, ohne ihn zu verletzen.
    Der Chor markerschütternder Schreie, der sich zu allen Seiten erhob, zeigte ihm, dass es den Schwarzen Truppen anders erging.
     
    Eingesperrt in ihrem unerreichbaren Gefängnis, hatte Eileen jede Hoffnung verloren. Als Lyannen plötzlich vor ihr erschienen war, hatte sie es kaum fassen können. Er war hier, er würde sie retten! All die lange Zeit ihrer unerträglichen Gefangenschaft über hatte sie gehofft, dass er kommen würde. Doch im Grunde hatte sie immer gewusst, dass das unmöglich war. Lyannen konnte vielleicht in Erfahrung bringen, was mit ihr geschehen war, aber er würde niemals an diesen Ort gelangen, der außerhalb der realen Welt lag, und noch viel weniger würde er sie von dort fortbringen können. Der Herr der Finsternis hatte einen mächtigen Zauber verwendet und das Volk der Ewigen hatte vor unendlichen Zeiten jede magische Gabe verloren. Keiner der Ewigen und schon gar nicht Lyannen der Halbsterbliche hätte etwas tun können, um ihr zu helfen. Doch sie wusste, wie sehr er sie liebte, und war überzeugt, dass er es dennoch versuchen würde. Und sie hatte ohne Unterlass gebetet, dass einer der Götter ihm dabei helfen würde, es zu schaffen.
    Und plötzlich, sie wusste gar nicht, wie ihr geschah, war er vor ihr erschienen, so wirklich, als ob er sich im selben Raum mit ihr
befände. Er war schmutzig, seine Haare waren zerzaust, und er wirkte, als

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