Gefaehrten der Finsternis
unerreichbar. Er konnte sie sehen, doch nicht berühren. Sie befand sich an irgendeinem merkwürdigen Ort, zu dem er nicht gelangen konnte.
»Lyannen«, flüsterte Eileen noch einmal fast nicht mehr wahrnehmbar. Auch in ihren Augen standen Tränen.
»Ich werde dich von dort fortbringen«, sagte Lyannen leise. »Irgendwie. Das verspreche ich dir.«
»Jetzt reicht es.«
Die Stimme von Gylion Herz aus Eis brach furchtbar real in diesen Moment gefühlter Unwirklichkeit ein. Der Herr der Finsternis wandte sich mit einem sadistischen Lächeln an Lyannen. »Schluss jetzt mit diesem lächerlichen Getue.«
Er schnippte mit den Fingern. Es gab einen leichten Knall und einen weißen Blitz. Lyannen rieb sich ungläubig die Augen.
Eileen und der Raum waren verschwunden.
ZWEIUNDDREISSIG
L YANNEN SUCHTE VERGEBENS nach dem Bild der Frau, die er liebte, nach dem Raum, in dem sie eingesperrt war - beides war genauso unvermittelt verschwunden, wie es aufgetaucht war. Er sank auf die Knie, Tränen der Wut brannten in seinen Augen. Er fühlte sich so ohnmächtig, wusste, er kämpfte gegen eine Kraft, die stärker war als er. Jeder Versuch, ihr entgegenzutreten, war sinnlos, solange er keine Magie einsetzte. Er sah das sadistische Grinsen des Herrn der Finsternis vor sich und konnte darin die Verachtung, den Hass und ein perverses triumphierendes Leuchten erkennen.Auch der Herr der Finsternis wusste, wie sehr ihm Lyannen unterlegen war, und schien dessen Niederlage auszukosten.
Der Tod erschien Lyannen tausendmal einfacher. Er würde außerdem unvermeidlich am Ende ihrer Begegnung stehen. Dennoch konnte Lyannen sich nicht einfach in sein Schicksal ergeben. Schließlich hatte er dem König versprochen, Eileen zu retten, hatte Eileen versprochen, sie zu heiraten, und seinem Vater, dass er siegreich zurückkehren würde, und sich selbst, dass er der Welt beweisen würde, wer er in Wirklichkeit war. Er konnte sich nicht einfach in sein Schicksal ergeben, denn dann würde er seine Selbstachtung mit Füßen treten.
Er wandte sich wieder zum Herrn der Finsternis. Wie gern würde er ihn töten, ihn leiden sehen. Er wollte, dass er für all das
Unrecht bezahlte, das er angerichtet hatte. »Elender Schurke«, zischte er dem Feind mit Wut und Schmerz in der Stimme entgegen. »Du bist nur ein Verrückter, der von zu viel Hass verzehrt wird.« Übelkeit überkam ihn und er spürte einen Kloß im Hals. »Aber im Grunde hast du nichts begriffen, absolut gar nichts. Du kannst eine Schlacht gewinnen, du kannst auch den Krieg gewinnen, du kannst uns alle unterjochen. Doch was immer du tust, du wirst die Ewigen niemals auslöschen können. Du kannst sie beugen, so oft du willst, sie werden sich immer wieder erheben. Denn sie haben etwas, für das es sich lohnt zu leben.«
Der Herr der Finsternis machte eine gleichgültige Handbewegung, als ob Lyannen gerade etwas gesagt hätte, das ihn kaum berührte. »Du wirst schon sehen«, entgegnete er. »Du wirst sehen, ob es mir gelingt.« Er lächelte wieder. »Und Schluss jetzt mit diesem albernen Getue. Jetzt werde ich dich töten!«
»Das wird sich jetzt zeigen!«
Lyannen stürmte mit gesenktem Kopf vorwärts, er hatte sein Schwert erhoben, und nun spürte er keine Angst mehr, vor nichts und niemandem, nicht einmal vor dem Tod. Er wusste, dass er den Herrn der Finsternis ohne Magie nicht besiegen konnte, doch er wollte ihn zumindest in Bedrängnis bringen.
Aber der Herr der Finsternis blieb ganz ruhig. Für ihn war Lyannen ein Niemand oder weniger als das. Wortlos erhob er eine Hand und der umgedrehte Stern auf seine Stirn erstrahlte in einem weißen Licht. Lyannen konnte gerade noch sein triumphierendes Lachen hören. Dann bohrte sich ihm ein stechender Schmerz durch die Rippen, als hätte ihm jemand die Klinge seines Schwertes in den Körper gestoßen. Der Schmerz war so heftig, dass er einen Aufschrei nicht unterdrücken konnte. Er fiel nach vorn und verletzte sich die Hände an dem harten Untergrund. Sein Atem ging nur noch stoßweise. Die Wunde brannte immer noch, wenn es denn eine Wunde war. Er hatte einen
Schmerz gespürt, als ob ihn eine Klinge durchbohrt hätte, aber ihn hatte nicht einmal etwas gestreift.Vielleicht war das ja alles eine Illusion der Magie und er bildete sich den Schmerz nur ein. Sein Herz schlug laut. Er streckte eine Hand aus, um sich die Rippen abzutasten. Der heftige Schmerz steigerte sich noch, bis er beinahe unerträglich wurde. Seine Haut fühlte sich unter dem
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