Gefaehrten der Finsternis
es überrascht annahm.
Theresian starrte ihn schon fast ein wenig zu verschwörerisch an. »Mit meinen besten Empfehlungen für deine Genesung«, flüsterte er. Dann wandte er Lyannen schnell den Rücken zu und verließ eilig den Raum.
Lyannen hatte keine Zeit mehr, ihn um Erklärungen zu bitten. Er saß auf seinem zerwühlten Bett mit dem kleinen geheimnisvollen Päckchen in der Hand.Was es wohl enthielt? Dazu musste er es schon öffnen. Doch jetzt waren draußen schon undeutlich Stimmen zu hören. Mit zitternden Fingern wickelte er schnell das Päckchen aus. Der Gegenstand darin war sehr klein und glitt ihm mit einem zarten Klirren in den Schoß. Er hob ihn auf. Es war ein Kettchen mit einem schlangenförmigen Anhänger aus blauem Stein.Vielleicht ein Glücksbringer. In die Windungen der Schlange waren merkwürdige Runen eingeritzt, die Lyannen nicht lesen konnte. Das Werk von Dämonen?Vielleicht hatte es merkwürdige und unvorhersehbare Folgen für ihn, wenn er das Schmuckstück umhängte.Aber andererseits, wenn dieser Anhänger gefährlich war, warum hätte Theresian ihm den dann geben sollen?
»Komm schon, Lyannen«, sagte er zu sich. »Musst du ständig alles in Zweifel ziehen? Herr Theresian hat nur gedacht, dass es ein hübscher Schmuck ist und dass er dir gefallen könnte. Das ist nichts weiter als ein Geschenk mit den besten Genesungswünschen. Eine kleine Aufmerksamkeit. Jetzt mach nicht immer aus jeder Mücke einen Elefanten.«
Ein Klopfen an der Tür riss ihn aus seinen Gedanken. Ganz automatisch wickelte Lyannen die Kette wieder ins Taschentuch und schob sie unter sein Kopfkissen.
»Herein«, rief er und wusste gar nicht, ob man ihm überhaupt Besuch erlaubt hatte.
Die Tür ging auf, und in das Zimmer hielt eine merkwürdige Prozession ihren Einzug. Lyannen erkannte Elfhall und Drymn und Validen, der lächelte, auch wenn er einen Arm geschient in der Schlinge trug. Da waren Irdris und ihre Schwester Ayanna.
Dahinter Tyke, ganz in Schwarz und Karmesinrot gekleidet. Perlen schmückten sein Haar und auf seinem Gesicht lag der triumphierende Ausdruck eines Mannes, der seinen persönlichen Kampf für sich entschieden hatte. Und Slyman, der so anders aussah als bei ihrer ersten Begegnung, denn nun war er in kostbare Seidengewänder gekleidet und glich in allem einem Königssohn. Hinter ihm kam ein hochgewachsener und muskulöser Mann mit silberner Mähne und violetten Augen, den Lyannen noch niemals zuvor gesehen hatte und der ihm doch gleich vertraut erschien. Er hatte eine Hand auf Slymans Schultern gelegt. Neben ihm ging Rabba Nix.
»Der Einsame wollte dich kennenlernen«, sagte Slyman fast schüchtern, »denn ich habe ihm so viel von dir erzählt.«
Während Lyannen bewegt und verlegen die Hand des Mannes schüttelte, der seit seiner Kindheit eine Legende, ein Mythos für ihn gewesen war, sah er, dass noch jemand hinter seinen Freunden stand. Er hielt sich ein wenig abseits, als ob er sich schämte. Sein Gesicht war blass und spitz wie bei jemandem, der gerade eine schlimme Krankheit überstanden hat, und sein Brustkorb war ebenfalls mit weißen Leinenbinden umwickelt. Doch seine Augen schauten klar und lebhaft, und als er ihn anlächelte, hätte Lyannen am liebsten vor Freude laut aufgeschrien.
Kein Zweifel, das war Ventel, und zwar der Ventel von früher, so wie er ihn kannte.
Eileen besuchte ihn dann am nächsten Tag. Es war schon Abend, Lyannen lag mit einem Buch in den Händen im Bett. Allerdings konnte man nicht sagen, dass er es las - er starrte schon seit geraumer Zeit immer dieselbe Zeile an, ohne wirklich zu begreifen, dass die Zeichen aus blauer Tinte auch etwas bedeuteten. Eine Wache war erst vor Kurzem hereingekommen und hatte die Lampen im Lazarett entzündet. Lyannen hatte ihn abwesend gegrüßt und ihm dann noch lange den Flur entlang nachgestarrt,
bis die Schritte des Uniformierten allmählich verhallten. Dann hatte er sich wieder ohne große Überzeugung seinem Buch zugewandt. Im Lazarett herrschte tiefe Stille, nur ab und an hustete jemand in einem der anderen Zimmer. Die Flammen der Lampen warfen ein mattes, zitterndes Licht. Draußen rüttelte der Wind an den Läden, aber hier drinnen zog es nicht, und Lyannen fühlte sich in seine dicken Decken gehüllt sehr wohl. Das Quietschen der Tür am Ende des Korridors zerstörte diese friedliche Stimmung und störte ihn. Lyannen schaute auf und sah eine zierliche Gestalt, die zögernd auf der Türschwelle stand und in dem
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