Gefaehrten der Finsternis
scheute aufgeregt und versuchte, sich loszureißen. Der Himmel war hinter einem Geflecht von Zweigen verschwunden, die jetzt an lange, bösartige Arme mit gekrümmten Fingern erinnerten und sich nach ihnen auszustrecken schienen.
»Verdammt«, sagte Lyannen lauter.
»Wecken wir die anderen«, rief Ventel. »Und zwar schnell!«
Das war nicht nötig. Dalman und Elfhall waren bereits wach. Sie hatten sich beide aufgesetzt, und man sah ihnen an, dass sie ebenso erschrocken waren wie die anderen. Drymn war sogar aufgesprungen und fuchtelte nervös mit seinem Schwert herum.
»Was tun wir jetzt?«, sagte Validen atemlos und sah nacheinander Ventel, Lyannen und Dalman an.
»Vor allem müssen wir Ruhe bewahren«, flüsterte Ventel. »Ich weiß, wie schwer das ist. Aber ihr müsst unbedingt ruhig bleiben.« Dann stand er auf, band sein Pferd los und konnte es nach einigen Versuchen auch beruhigen. Er wandte sich wieder den anderen zu und befahl: »Legt eure Waffen nieder. Drymn, leg sofort das Schwert weg. Was auch immer passiert, lasst die Waffen liegen und versucht nicht, euch zu verteidigen. Und fasst die Bäume nicht an! Auf gar keinen Fall!«
Nun schloss sich der Kreis der Bäume noch enger um sie.
Drymn, der zwar sein Schwert gesenkt hatte, aber entschlossen wirkte, es festzuhalten, sprang schnell weg, um einem niedrig hängenden Zweig auszuweichen, der nun fast seinen unteren Rücken streifte.
»Also wirklich« rief Lyannen. »Bäume, die sich bewegen! Das ist unglaublich, der reine Irrsinn! Wer sind die, woher kommen die und was wollen sie überhaupt von uns?«
»Das sind keine Bäume«, sagte Dalman plötzlich, der wieder einmal bewies, dass er wesentlich mehr über den Wald wusste, als es den Anschein hatte. »Diese Wesen sind viel älter als die Ersten, und - wenn sie wollen - sehr gefährlich. Das sind Waldgolems, stimmt’s,Ventel?«
Ventel nickte ernst. »Ich war mir ziemlich sicher und deine Worte bestätigen meine Befürchtung«, sagte er mit einem Lächeln, das gezwungen wirkte, als wolle er seine eigene Unsicherheit überspielen. »Bist du ihnen schon einmal begegnet?«
»Nein, noch nie.« Dalman schüttelte den Kopf. »Doch alte Legenden erzählen von riesigen stummen Wesen, Bäumen zwischen Bäumen, Felsen zwischen Felsen.«
»Entschuldigt, aber können wir nicht irgendetwas unternehmen, anstatt hier über alte Legenden zu reden?«, unterbrach Lyannen sie mit schriller Stimme. »Wenn wir weiter hier stehen bleiben, werden uns diese Bäume ein schreckliches Ende bereiten.«
»Am besten tun wir gar nichts«, verkündete Ventel. »Sie werden uns auch nichts tun, außer ihr Anführer befiehlt es ihnen.«
»Und wer ist ihr Anführer?«, fragte Lyannen, dem man ansah, dass er sich kaum noch beherrschen konnte. »Wer kann so mächtig sein, dass er diesen Monstern Befehle erteilt?«
»Wir, Fremder«, antwortete eine helle Frauenstimme hinter ihm.
Erschrocken wandte Lyannen sich um. Direkt vor ihm in den Zweigen eines Baumes oder vielmehr des Waldgolems saß ein
junges Mädchen mit langen schwarzen Haaren, in die smaragdgrüne kleine Perlen geflochten waren. Seine Haut war ebenso grün und seine großen, durchdringenden Augen waren von einem glänzenden Schwarz. An seinen Handgelenken und Knöcheln trug es viele Reifen und sein Gewand schien aus silber glänzenden Blättern zu bestehen. Es hielt eine kleine Peitsche in der Hand. Auf dem Medaillon, das es an einer Kette um den Hals trug, waren ein Mond und eine Sonne abgebildet.
Instinktiv glitt Lyannens Hand zu seinem sternförmigen Anhänger und umklammerte ihn.
»Ihr gehört nicht zu den Schwarzen Truppen«, stellte das Wesen fest und schüttelte dabei heftig den Kopf. »Das ist gut für euch.«
»Nein, wir gehören zu den Ewigen«, erklärte Elfhall mutig. »Wir reisen in Frieden durch den Wald und haben nichts gegen seine Bewohner. Wenn ihr ebenfalls gegen die Goblins kämpft, haben wir den gleichen Feind.«
»Viele kämpfen gegen die Goblins und die Schwarzen Truppen«, antwortete das Mädchen. »Aber nicht alle Feinde der Goblins sind auch Freunde des Waldes. Wir sind die Seele des Waldes. Unsere Feinde sind seine Feinde.«
»Wir haben bis jetzt dem Wald immer unseren Respekt erwiesen und werden das auch weitertun«, sagte Ventel. »Die Ewigen haben den Wald immer geachtet und das, wofür er steht. Unsere Schwerter richten sich nur gegen die Goblins.«
»Dann habt ihr von uns nichts zu befürchten«, sagte das Mädchen. »Wir greifen
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