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Gefaehrten der Finsternis

Titel: Gefaehrten der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chiara Strazzulla
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könnte, wir sollten besser darauf vorbereitet sein. Ich übernehme
die erste Wache. Ich bin nicht müde und weiß genau, dass ich in dieser angespannten Atmosphäre sowieso keinen Schlaf finden werde.«
    »Dann übernehmen Ventel, Validen und ich die erste Wache«, schlug Lyannen vor. »Und Dalman, Elfhall und Drymn die zweite, wenn ihr einverstanden seid.«
    »Mir ist das sehr recht«, verkündete Elfhall. »Ich schlafe schon beinahe im Stehen ein und könnte jetzt einen Troll nicht einmal töten, wenn er genau vor mir stünde.«
    »Mir ist das nicht so lieb, aber wenn ich ein Held sein will, muss ich neben den Vorteilen auch die Nachteile akzeptieren«, meinte Validen seufzend. »Also gut, ich übernehme die erste Wache mit, aber weckt mich, falls ich einschlafen sollte.«
    Sie holten ihre Decken aus dem Gepäck und Lyannen warf noch ein paar Zweige ins Feuer. Die Nacht war kalt, und ein eisiger Windhauch, der zwischen den Bäumen wehte, versuchte, das Feuer auszublasen. Alles war still. Lyannen setzte sich neben das Feuer, es fröstelte ihn, aber daran war nicht nur die Kälte, sondern auch die Anspannung schuld. Rechts von ihm saß Validen und starrte mit unnatürlich weit aufgerissenen Augen in die Flammen, damit er nicht einschlief. Das Feuer warf seltsame Lichtreflexe auf seine blonden Haaren. Links von Lyannen saß Ventel, in seinen glitzernden Umhang gehüllt. Er hatte sich wieder die Kapuze bis über die Augen heruntergezogen und wirkte so geheimnisvoll und unwirklich.
    Lyannen nahm einen Zipfel von Ventels Umhang und ließ ihn neugierig durch seine Finger gleiten. Ein seltsamer Stoff, er fühlte sich an wie Seide, war aber irgendwie noch anders, und er schillerte im Widerschein des Feuers in tausend wechselnden Schattierungen. So etwas hatte Lyannen noch nie gesehen.
    »Woher hast du diesen Umhang?«, fragte er seinen Bruder. »Das ist wohl ein ganz besonderer Stoff, oder?«
    Ventel nickte und nahm die Kapuze ab. »Das ist Mondseide«,
erklärte er. »Die Einwohner der Letzten Stadt fangen den Schein des Mondes ein und weben daraus diesen Stoff. Das ist eine sehr alte, komplizierte Kunst, deren Geheimnis sie seit Tausenden von Jahren sorgsam bewahren: Sie fangen den Schein des Mondes mit ganz besonderen Spiegeln ein, leiten ihn auf Webstühle und fertigen daraus dann ein hauchdünnes Gewebe, das wärmt, wenn es kalt ist, und kühlt, wenn es heiß ist. Es nutzt sich nicht ab, wird nicht schmutzig und dämpft jedes Geräusch. Ein Umhang wie dieser ist sehr nützlich, wenn du auf eine lange Reise gehen willst.«
    »Und woher hast du ihn?«, wiederholte Lyannen. »Das muss ein sehr seltenes Stück sein.«
    »Das stimmt«, antwortete Ventel. »Selten und wertvoll. Es ist ein Geschenk, an dem ich sehr hänge. Irmya hat ihn mit ihren eigenen Händen für mich gewebt.«
    »Deine Verlobte?«
    Ventel lächelte melancholisch-verträumt vor sich hin. »Ja«, sagte er dann.
    »Also, ich versteh’s immer noch nicht«, sagte Lyannen. »Warum hast du eigentlich beschlossen zu heiraten? Kommt das nicht ein bisschen plötzlich?«
    »Ich weiß auch nicht«, antwortete Ventel und hüllte sich enger in seinen Umhang. »Es kann sein, dass die Heirat meine militärische Laufbahn behindert, aber vielleicht nützt sie mir auch. Ich weiß nur, dass ich es tun muss.Wenn ich Irmyas Augen sehe und ihr Lächeln, dann kann ich nur denken, dass ich immer mit ihr leben will.« Er sah Lyannen verständnisvoll an und meinte: »Du bist noch sehr jung. Wenn du erst einmal selbst jemanden liebst, wirst du mich verstehen.«
    »Ich verstehe dich besser, als du denkst«, sagte Lyannen leise.
    »Es tut mir ja leid, wenn ich euer philosophisches Gespräch unterbrechen muss, aber irgendetwas gefällt mir hier nicht«, warf Validen plötzlich ein.

    »Ja?« Lyannen sah ihn überrascht an. »Was ist los?« Er drehte sich um und erstarrte. Er wollte etwas sagen, doch er wusste nicht, was. Ihre Lage war zu ungewöhnlich und zu gefährlich; keine Worte schienen ihm zu passen. »Oh, verdammt«, brachte er schließlich doch heraus.
    Die Lichtung hatte sich verändert.Vorhin war sie größer gewesen. Das Pferd war nahebei an einen Baum gebunden worden und sie hatten genau in der Mitte des freien Platzes gesessen; Drymn, Elfhall und Dalman lagen ein Stückchen weiter links von ihnen. Nun war dieser Platz auf ungefähr die Hälfte zusammengeschrumpft. Die letzten Ausläufer der Baumwurzeln waren nur noch einen halben Meter von Drymn entfernt.Ventels Pferd

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