Gefaehrten der Finsternis
ihre Stimme klang nicht so fest, wie sie es sich gewünscht hätte. »Er ist so viel besser als Ihr, dass Ihr Euch nicht einmal vorstellen könnt, wie viel Euch von ihm trennt. Und wenn Ihr glaubt, er ließe sich so einfach von Euch besiegen, dann irrt Ihr Euch gewaltig. Ob Ihr es wollt oder nicht, die Ewigen werden Euch standhalten. Einer wie Ihr, so mächtig Ihr auch sein mögt, reicht nicht aus, um sie zu besiegen.«
Doch noch ehe sie ihre Rede beendet hatte, merkte sie genau, dass sie sich ihrer Worte überhaupt nicht sicher war, und das tat ihr fast körperlich weh. Also senkte sie den Blick, damit er ihrem Gesicht nicht ansehen konnte, was sie dachte, und hörte nur, wie er leise auflachte.
»Ach, ich bezweifele gar nicht, dass Eure berühmten Ewigen mir Widerstand leisten werden.Wisst Ihr, ich wäre sogar sehr enttäuscht, wenn sie es nicht täten.Wenn sie gleich aufgäben, würde mein Sieg nicht so strahlend sein. Aber Ihr wollt einfach nicht begreifen, dass ich sie nicht nur demütigen will, sondern dass ich
sie erst demütigen und dann vernichten werde. Und zwar alle. Bis zum letzten Mann. Eine totale Vernichtung, so wie man Ungeziefer ausrottet. Und wir beide werden uns dieses Schauspiel von hier oben ansehen. Ich werde Euch ein hübsches kleines Fenster in eine dieser Mauern zaubern, damit ihr nichts verpasst.Vielleicht könnt ihr ja Eurem Vater einen letzten Gruß zuwinken, ehe es zu spät ist. Oder ihr seht vielleicht zu, wie Euer Freund, dieser rührende Halbsterbliche Lyannen, zu Asche wird, wenn er versucht, zu Euch zu gelangen, und dabei eine verbotene Grenze überschreitet.«
Eileen hatte beinahe nichts vom letzten Teil seiner Rede mitbekommen, weil sie fühlte, dass sie seine Worte nicht länger ertragen konnte. Doch als sie Lyannens Namen hörte, richtete sie sich plötzlich auf, als hätte sie etwas gestochen, und sie fragte: »Lyannen?«, obwohl sie genau sah, wie er ihre Sorge genoss. »Lyannen kommt hierher?«
Der Herr der Finsternis schien davon vollkommen unbeeindruckt: »Ja, ich denke, dass er das vorhat. Ich könnte mir nicht vorstellen, warum er sonst die heroische Entscheidung getroffen haben sollte, mit einigen treuen Freunden die sichere Zuflucht der Hauptstadt zu verlassen und gen Norden zu reisen. Und er meint auch noch, niemand wüsste von seiner Abreise. Oh heilige Einfalt! Aber da ich sehe, dass Ihr so an ihm hängt, werde ich mich bemühen, ihn nicht gleich zu vernichten, damit er Euch wenigstens ein letztes Mal sehen und dann glücklich sterben kann. Oh, wie rührend! Bin ich nicht wirklich großzügig? Was meint Ihr?«
Und er grinste. Eileen wusste natürlich, dass das nur eine Provokation war, auf die sie nicht hätte eingehen sollen. Aber der Gedanke an Lyannen, der in Gefahr war, der, wie sie felsenfest glaubte, Dardamen wirklich verlassen haben musste, um zu ihr zu kommen, war einfach zu viel.
»Ihr widert mich an«, presste sie zwischen ihren Lippen hervor.
»Ihr seid das abscheulichste Wesen, dass diese Erde jemals gesehen hat! Mir fehlen die Worte, um Euch zu beschreiben. Aber hütet Euch, Ihr mit Eurem Hochmut! Unterschätzt Lyannen nicht und auch nicht die Ewigen. Sie verfügen über Fähigkeiten, die Ihr euch nicht einmal vorstellen könnt. Passt auf! Ihr habt die Helden vor Euch, die schon drei Mal die Finsternis besiegt haben, die Millionen mal stärker waren als Ihr und sie in die Flucht geschlagen haben. Glaubt Ihr wirklich, dass sie sich vor einem wie Euch beugen werden?«
»Seid nicht so respektlos!«
Eine Ohrfeige traf Eileens Wange und brannte so heftig und unerwartet, dass sie leise aufschrie. Zunächst konnte sie nicht einmal glauben, dass er sie wirklich geschlagen hatte. In der gesamten Zeit ihrer Gefangenschaft hatte er noch nie die Hand gegen sie erhoben. Doch der pochende Schmerz auf ihrer Wange war real, und wie er brannte!
Der Herr der Finsternis stand immer noch vor ihr, er hatte die Hände wieder in die Taschen gesteckt, als ob nichts geschehen wäre. Er wirkte irgendwie verärgert darüber, dass er sich durch Eileens Worte so hatte hinreißen lassen. Das passte gar nicht zu ihm. Doch in seinen Augen waren plötzlich Wut und Hass aufgeflackert, dass jeder sich gefürchtet hätte, und als er wieder etwas sagte, war seine Stimme so ätzend wie pures Gift: »Ein wenig Respekt, mein liebes Fräulein, wenn du mit mir sprichst. Ich glaubte eigentlich, dein Aufenthalt hier hätte dich etwas gelehrt. Bis jetzt war ich unglaublich gut zu dir, und
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