Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Gefaehrten der Finsternis

Titel: Gefaehrten der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chiara Strazzulla
Vom Netzwerk:
sagen.
    Der Einsame stellte sich neben ihn, stach noch ein Loch in Slymans Gürtel und befestigte ihm die Schnalle neu. »Ich glaube, jetzt ist es gut.«

    Slyman nickte, ohne zu begreifen. Warum schenkte ihm der Einsame sein Schwert? Er hatte doch eins, eine treffliche Waffe, die er immer benutzt hatte.
    Der Einsame lächelte. »Es steht dir gut. Du siehst aus wie ein richtiger Krieger. Jetzt gib mir deines.«
    »Mein Schwert?«, fragte Slyman verblüfft.
    »Ja, und deinen Gürtel. Irgendwie muss ich es ja befestigen.«
    Slyman gab ihm beides. »Er wird Euch jedoch zu eng sein...«
    »Dann werde ich ihn weiten.« Ohne weiteren Kommentar tat ihn der Einsame um. »Ich hätte dich eigentlich nicht darum gebeten, aber ich kann ja nicht unbewaffnet bleiben, und mein Schwert musst du mit dir nehmen.«
    »Warum?« Endlich hatte er diese Frage herausgebracht.
    »Weil es besser als deines ist. Es wurde zu Anbeginn der Zeiten geschmiedet; solche Waffen werden heute nicht mehr hergestellt. Ich brauche es nicht mehr, und wenn es nicht benutzt wird, setzt es Rost an.Trag es in die Schlacht und mache dir Ehre damit.«
    Slyman sagte kein Wort. Er ließ seine Finger über den Gurt gleiten. Er war warm, alt und abgeschabt. Und doch kam es ihm vor, als habe er nie etwas Schöneres getragen. »Ich... danke Euch«, stammelte er. Dann beugte er sich herunter, um seinen Reisesack aufzuheben.
    »Halt«, rief der Einsame noch einmal. »Ich bin noch nicht fertig. Das Wichtigste muss ich dir erst noch geben.«
    »Und das wäre?«
    Der Einsame antwortete ihm nicht. Stattdessen schlug er den dunkelvioletten Umhang zurück und entblößte seine nackte Brust.Von seinem Hals hing ein halbmondförmiger Anhänger aus rotem Gold herab. Slyman wusste, dass jeder der zwanzig Ersten zu Anbeginn der Zeiten einen solchen Anhänger besessen hatte, doch viele waren inzwischen verloren gegangen. Da die Ewigen ihn an ihrem Hals vorgefunden hatten, als alles begann, mussten die Schmuckstücke von göttlicher Hand stammen. Niemand von
den Ersten hatte den Anhänger jemals abgenommen, alle hatten ihn bis zu ihrem Tod getragen. Und man glaubte, dass die Seele eines jeden Ersten in diesem Anhänger eingeschlossen sei.
    Beinahe mühsam öffnete der Einsame die Schließe des Kettchens und dann hatte er es endlich mitsamt dem Anhänger in der Hand. Dann hielt er es Slyman hin. »Ich möchte, dass du das hier nimmst.«
    Doch Slyman, der dem Einsamen bis jetzt immer gehorcht hatte, nahm es nicht, sondern schüttelte den Kopf und antwortete: »Nein. Nein, das kann ich nicht.«
    »Natürlich kannst du das«, erwiderte der Einsame. »Wenn ich es dir sage, kannst du es. Das hier ist meine Seele, Slyman. Und mein Leben. Ich möchte sie dir anvertrauen.Weil ich dir vertraue. Weil ich weiß, dass du sie nie verlieren wirst.«
    Slyman schüttelte wieder den Kopf. »Ich kann nicht die Verantwortung für Euer Leben tragen.«
    Der Einsame beobachtete ihn, die Hände in die Seiten gestützt. »Hör mir gut zu«, sagte er dann. »Ich hatte Geschwister und man hat sie mir getötet. Ich hatte eine Frau und man hat sie getötet. Ich hatte Kinder und von ihnen hat nicht eines überlebt. Was bleibt noch von meinem Leben? Nur du. Du bist alles, was mir geblieben ist. Also nimm meine Seele...« Er hielt ihm wieder das Kettchen mit dem rotgoldenen Halbmond hin. »Und wenn der Moment dafür gekommen ist, soll mein Leben mit deinem enden!«
    Er sah ihn an und seine Augen leuchteten wie zwei glühende Kohlen. Slyman hatte ihn noch nie so erlebt.
    »Ich bitte dich«, stöhnte der Einsame, und es klang wie der Klagelaut eines verwundeten Tieres.
    Slyman wagte nichts darauf zu erwidern. Der Einsame stellte sich hinter ihn und befestigte die Kette um den Hals des Jungen. Als Slyman aufstand, fiel ihm der Anhänger mit einem seltsamen Klingen auf die Brust. Slyman wunderte sich, dass der Halbmond
sich nicht wie erwartet kalt, sondern warm anfühlte wie etwas Lebendiges. Und er spürte: Wenn er den Anhänger trug, war es so, als trüge er die ganze Liebe des Einsamen mit sich, als müsste er sich gar nicht von ihm trennen.
    Slyman hob stolz den Kopf und sagte: »Nun kann ich wirklich aufbrechen!«
    »Jetzt schon«, stimmte der Einsame lächelnd zu. Er streckte seine Hand aus und streichelte zärtlich über Slymans Gesicht. »Geh und mach dir Ehre.«
    Slyman warf sich den Reisesack über die Schulter, dann drehte er dem Einsamen den Rücken zu und machte sich auf den Weg.
    Er fand erst den Mut,

Weitere Kostenlose Bücher