Gefaehrten der Finsternis
wollte niemanden mehr lieb gewinnen oder sich um ihn sorgen müssen. Doch dann war Slyman gekommen. Er war noch ein Baby gewesen, als der Einsame ihn mit sich genommen hatte. Aus dem Neugeborenen war ein kleines Kind geworden und aus ihm ein Junge, der dem Einsamen auf seinen Wanderungen gefolgt war. Und gegen seinen Willen hatte er ihn lieb gewonnen wie ein Vater seinen Sohn.
Doch Slyman war nicht sein Sohn. Ihm war schon ein wichtiges Schicksal bestimmt, ein Schicksal, an dem niemand etwas ändern konnte. Bis jetzt hatte der Einsame davor die Augen verschlossen und so getan, als wäre da nichts. Doch so konnte es nicht weitergehen. Slyman war kein kleiner Junge mehr, er war jetzt ein Mann geworden, und der Einsame hatte nicht mehr die Macht, ihn zurückzuhalten. Er musste ihn ziehen lassen. Obwohl er den Gedanken, sich von ihm zu trennen, nicht ertragen konnte.
»Denkt Ihr über etwas Bestimmtes nach, Herr?«
Der Einsame schaute auf. Slyman sah ihn lächelnd, aber ein wenig erstaunt an. Er trug nichts als seine Stiefel und himmelblaue Hosen und hielt das tropfnasse Handtuch in der Hand. Seine zerzausten Haare hingen ihm über das halbe Gesicht.
Der Einsame seufzte. »Ja, Slyman«, antwortete er. »Setz dich. Ich muss mit dir reden.«
Das Lächeln verschwand von Slymans Gesicht und machte einem Ausdruck der Verwunderung Platz. Trotzdem setzte der
junge Mann sich wortlos hin. Das Handtuch lag ihm jetzt um die Schultern. Seine hellgrünen Augen bohrten sich so durchdringend in die des Einsamen, dass der gezwungen war, den Blick zu senken. Er hatte so vielen Feinden ohne die geringste Furcht in die Augen gesehen, aber dem Blick dieses unschuldigen jungen Mannes, den er selbst aufgezogen hatte, konnte er nicht standhalten.
»Müsst Ihr mir denn etwas sehr Wichtiges mitteilen, Herr?«, fragte Slyman unsicher.
»Ja, es ist wirklich wichtig.« Der Einsame nickte. »Und es wird für dich genauso schmerzhaft sein, wie es das für mich ist. Aber es muss sein.«
»Dann sagt es mir doch, Herr«, drängte ihn Slyman. »So hart es auch sein mag, ich werde es annehmen, weil ich euch liebe.«
»Und ich, weil ich dich liebe«, sagte der Einsame. »Du weißt genau, wie sehr. Ich liebe dich, als wärst du mein eigener Sohn, ja vielleicht sogar noch mehr. Ich habe dich mit meinen eigenen Händen großgezogen und habe mit meinen Augen gesehen, wie du ein Mann wurdest. Und jetzt, da du erwachsen bist, kann ich dich nicht ansehen, ohne dass sich mir das Herz in der Brust zusammenkrampft. Ich weiß, dass du nicht mein Sohn bist, und ich habe dich auch nie glauben machen wollen, du wärest es. Aber je mehr Zeit vergeht, desto mehr merke ich, dass nicht du derjenige bist, der das akzeptieren muss, sondern ich. Dir ist ein Schicksal vorbestimmt, und ich kann es nicht ändern, selbst wenn ich das wollte. Wenn ich dürfte, würde ich dich für immer bei mir behalten, weit weg vom Krieg. Doch jetzt liegt es nicht länger in meiner Macht, dich zurückzuhalten. Ich sehe wohl, dass du den Wunsch hast, für das Reich der Ewigen zu kämpfen. Also, wenn das wirklich dein Wunsch ist, kannst du gehen, und ich darf es dir nicht verbieten. Schließlich lauern auch hier Gefahren, wie du schon erfahren hast. Ich kann dich nicht dem Risiko aussetzen, dass du hier im Kampf gegen unbekannte Bedrohungen stirbst,
wenn es dir eigentlich bestimmt ist, dich für die Rettung des Ewigen Königreiches zu schlagen. Nimm das, was dir gehört, und geh, denn es ist dein Schicksal, mich zu verlassen.«
»Aber«, stammelte Slyman und seine Augen wurden feucht. »Aber, Herr, falle ich Euch wirklich so zur Last, dass Ihr mich wegschicken wollt?«
Der Einsame seufzte noch einmal. »Ich wusste, dass du es so aufnehmen würdest«, sagte er. »Das ist meine Schuld, Slyman, weil ich dich zu lieb gewonnen habe.«
Slyman sah ihn unsicher an. Diese vertraulichen Worte aus dem Mund eines so großen Mannes zu hören, war für Slyman schwer zu verkraften. »Kommt, kommt, nehmt Euch das nicht so zu Herzen«, versuchte er, ihn zu trösten. »Sonst fühle ich mich auch schlecht. Wenn Ihr wollt, dass ich gehe, werde ich das tun, und es werden mir immer die schönsten Erinnerungen an Euch bleiben. Aber eines müsst Ihr mir noch erklären. Es ist kaum drei Tage her, da musste ich Euch noch versprechen, dass ich mich auf keinen Fall nach Dardamen begeben werde. Das habe ich getan und dieses Versprechen bindet mich. Wie kann ich nun für die Rettung des Königreiches kämpfen, ohne
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