Gefährten des Zwielichts
verteilt, doch wenn man genauer hinschaute, ergab sich ein Muster. Alle Lichtlinien liefen auf einen einzigen Punkt am anderen Ende der Grotte zu.
Links und rechts der Tür zog sich die Wand fast zweihundert Schritte weit, bevor sie in sanftem Schwung in die Seitenwand überging. Ein langer Tisch erstreckte sich an der einen Seite. Seine Stützen und Platten waren teils aus Holz gezimmert, teils aus behauenem Stein gefertigt. Das Holz war schwer und dunkel, mit ölig glänzenden Flecken in tiefen Mulden. Ein Hauch von Moder stieg davon auf. Der Stein wirkte ebenfalls alt und brüchig.
Die Tischplatten waren mit Gerätschaften übersät, viele davon längst dem Zahn der Zeit anheim gefallen: alchemistische Apparaturen aus Glas, mit Kolben, Röhrchen und bauchigen Flaschen, die milchig trüb geworden waren und an vielen Stellen verformt oder zu Scherben zerfallen. Platten und Nadeln und Haken und Schalen aus Metall, vom Rost zu bräunlichen Schuppen zerfressen. Manchmal zeichnete nur noch roter Staub die Umrisse dessen nach, was einstmals da gelegen hatte.
Neben der Tür reihten sich Haken an der Wand, an denen etwa ein halbes Dutzend angelaufener, rostzerfressener Schlüssel hingen. Dagegen glänzten die Haken makellos, genau wie der Schließkasten an der Innenseite der Felsentür und die dünnen Riegel, die hervorstanden.
Die Steintür war eine Armlänge dick, und sie hing an winzigen Angeln, die mit feinen Stangen im Gestein verankert waren. Sie sahen nicht so aus, als könnten sie ein solches Gewicht tragen - aber wie Baskon gesagt hatte: Die Metallvorrichtung, die die Tür verschloss, war aus magischem Silber gefertigt und so unzerstörbar, dass weder Halterung noch Angeln noch Schloss besonders massiv sein mussten.
Wito sah sich auf dem Tisch um und entdeckte schließlich eine kleine Phiole aus geschliffenem Kristall. Sie funkelte wie ein Edelstein und wirkte unversehrt; selbst der feine Pfropfen aus trübem Glas schien noch zu schließen. Wito nahm die Phiole und ging vorsichtig tiefer in den Raum.
Die leuchtenden Linien unter der Decke gaben Wito die Richtung vor. Sie sammelten sich am fernen Ende der Halle über zwei aufragenden Felsgraten, die mit der rückwärtigen Wand ein Becken formten.
Aus feinen Ritzen im hinteren Teil des Beckens quoll eine rotschwarze Flüssigkeit und sickerte in einen kleinen Tümpel. Das Blut der Erde. Zäh lief es über die Steine, und die kleinen Wellen, die es schlug, krochen über die Oberfläche wie von eigenem Leben erfüllt. Auch die Flüssigkeit im Becken war beständig in Bewegung. Strudel tanzten über die Oberfläche, Höcker wölbten sich auf, wie von Blasen hochgedrückt, und fielen wieder in sich zusammen.
Wito stand da und schaute gebannt. Hier schlug das Herz der Grauen Lande, und hier ruhte die Macht, mit der Leuchmadan sein Herz und das Kästchen darum geschaffen hatte, die Macht, die beides wieder vernichten konnte. Die Flüssigkeit schien sich aus eigener Kraft zu bewegen, spielerisch ins Becken zu perlen und an anderer Stelle, ungesehen, zu versickern und im Stein wieder aufzusteigen.
Vor seinem geistigen Auge sah Wito Adern, die überall durch die Grauen Lande liefen und Leben in die verdorrte Erde brachten. Aber der Strom war gehemmt. Leuchmadans Kästchen zog das Leben an sich, sog es aus dem Blut und sammelte es, schon seit eintausend Jahren. Diese Überfülle an Leben musste wirken wie Gift, wenn man das Kästchen in der Quelle auflöste und alles mit einem Mal an die Erde zurückgab. Das war der Grund, warum es nicht in der Quelle vernichtet werden durfte, so hatte Daugrula es erzählt.
Vielleicht war es Gift. Doch vielleicht wollten Daugrula und die anderen Mächtigen auch nur, dass er das glaubte, damit er das kostbare Behältnis vor diesem Schicksal bewahrte und es seinen Herren zurückbrachte, damit diese die Macht des Kästchens nach eigenem Gutdünken verwenden konnten. Vielleicht.
Und doch konnte Wito das Wagnis nicht eingehen. Denn es gab einen sicheren Weg: In den richtigen Händen konnte das Kästchen den Landen das Leben in gesundem Maße wiedergeben, nach und nach. Die Grauen Lande konnten ergrünen, ganz nach dem Willen dessen, der das Kästchen beherrschte. Man musste nur die richtigen Hände finden.
Witos Auftrag bestand darin, das Kästchen zu holen und Leuchmadan zu bringen, ohne Fragen zu stellen. Aber Daugrula hatte ihn etwas anderes gelehrt. Er stellte jetzt Fragen. Eine Frage zuallererst: Was wollte er?
Er hätte das
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