Gefährten des Zwielichts
als müsste irgendwo eine Lichtquelle sein, die sich den Blicken des Gnoms entzog. Dann und wann sah Wito einen blassen Schatten zu seinen Füßen, als brenne eine schwache Lampe hinter ihm. Wenn er sich aber umwandte, dann war da nichts, überall nur dasselbe verschwommene graue Zwielicht, das so nah an vollkommener Dunkelheit war wie ein einsamer Stern am leeren Firmament.
Seltsamerweise wurde es leichter, mit Baskon mitzuhalten. Das Summen betäubte die Sinne, und die Furcht sammelte sich zu einem einzigen festen Klumpen ganz tief in seinem Leib. Benommen trottete Wito hinter seinem Führer her.
Sie mussten inzwischen den ganzen Weg hinabgestiegen sein, den sie vorher am Berg hinaufgeklettert waren. Sie waren schon tief unter der Erde.
Irgendwann fand Baskon in einer verlassenen Waffenkammer ein Schwert und hob es auf. Es war so verrostet, dass es in dem Geisterlicht dunkler wirkte als die Wand aus nacktem Fels. Aber der Wardu schüttelte es, und der Rost fiel ab wie Staub. Die Klinge wirkte nun schmaler und ganz hell, und sie war so scharf, dass ein Lichtband die Kanten der Waffe säumte. Baskon schwang das Schwert, und die Schneide blitzte auf.
Wito kniff die Augen zusammen. Er konnte immer noch nicht ausmachen, woher das Licht kam, und wollte schon Baskon fragen, was für eine Kraft den Fels und die Luft leuchten ließ, da ergriff der Wardu selbst das Wort.
»Dann wollen wir sehen«, dröhnte seine kalte Stimme, »ob diese Diebe mit dem Herz wirklich hier auftauchen. Bete, Gnom, denn mein neues Schwert muss in Blut geweiht werden. Und wenn du uns auf einen Irrweg geführt hast, gibt es hier zu diesem Zwecke niemanden als dich allein.«
Er steckte das Schwert ein, trat auf den Hauptgang zurück und ging weiter. Wito schluckte. Er wusste, was er auf Keladis gehört hatte. Aber er wusste nicht, wann Gulbert und der Bitanerfürst hier eintreffen würden ...
Hastig lief er hinter Baskon her.
Endlich, nach stundenlangem Marsch durch endlose leere Gänge und vorüber an Hallen, die mit modrigem Gerümpel gefüllt oder leer geräumt waren, blieb Baskon vor einer Felswand stehen. Hier endete der Gang. Wito glaubte, ein Murmeln unter Baskons allgegenwärtigem Klang zu vernehmen, deutlicher diesmal und unsicher. Der Wardu legte die Hand auf den Fels und tastete darüber. Wito trat vor.
Vor ihnen war keine Wand, sondern eine Tür aus massivem Stein. Sie schloss ringsum fugenlos ab, außer an der unteren Kante. Die war ein wenig verwittert, und Wito spürte dort einen feinen Luftzug. Wo Baskon sich am Fels zu schaffen machte, war ein winziges Loch zu sehen, und die abgeblätterten Reste eines Griffs und schwerer Beschläge.
»Die Tür ist unversehrt«, stellte Baskon fest.
»Wo sind wir hier?«, fragte Wito.
»Am letzten Tor von Leuchmadans Hort. Hier drinnen wirkte er seine alchemistischen Versuche. Hier schuf er das Kästchen und manches andere. Dahinter liegt die Kammer, wo das Blut der Erde die Luft berührt.«
»Die Quelle des Blutes«, hauchte Wito. »Dann wird der Zauberer mit dem Herz hierher kommen.«
»Wenn er es tatsächlich vernichten will«, sagte Baskon. »Nur in der Quelle lässt das Metall des Kästchens sich erweichen. Leuchmadans Herz lässt sich gleichfalls darin auflösen, so sagt man. Aber natürlich hat das nie jemand auf die Probe gestellt, und das wird auch in Zukunft niemand tun.« Baskon klopfte auf das Heft seines Schwertes. Das Summen, das von ihm ausging, wurde tiefer. Eine Woge des Grauens wälzte sich durch den Gang, und Wito hörte einen Laut, als würden die Gewölbe selbst entsetzt aufkeuchen.
Er legte die Hand ans Ohr, aber da war nichts mehr.
»Wir warten hier auf die Menschen?«, fragte er.
»Wenn sie kommen«, schnarrte Baskon. »Oder wir warten darauf, dass der Goblin seine Botschaft übermittelt. Wenn Leuchmadan davon erfährt, wird er neue Befehle schicken.«
Und hoffentlich ist der Herr nicht so verbohrt wie sein Handlanger. Diese Worte blitzten in Witos Geist auf, bevor er sie zurückhalten konnte. Natürlich war es Frevel ... Aber was, wenn Leuchmadan den Gnomen ebenso wenig glaubte wie Baskon? Was, wenn er die Wachen wieder abzog, bevor Gulbert mit dem Herz hier war? Würde Leuchmadan die Zukunft der Grauen Lande verspielen, indem er irgendwo anders nach seinem Herz jagen ließ, weil er nicht damit rechnete, dass jemand es hier an seiner alten Wirkstätte vernichten wollte?
Ausgeschlossen, befand Wito. Leuchmadan war nicht so dumm. Er würde kein solches Risiko
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