Gefährten des Zwielichts
reichen Ländereien gesehen, die die Menschen ihr Eigen nennen, und die Elfen sollen in üppigen Wäldern leben. Ich kann mir nicht vorstellen, dass in den Grauen Landen so viel Lebenskraft steckt.«
»Nein«, sagte Daugrula. »Die Lebenskraft der Grauen Lande steckt nicht im Land, sondern in dem Kästchen. Deshalb steht Daugazburg heute in einer Einöde. Am Tage der letzten Schlacht wirkte Leuchmadan einen großen Zauber und ließ seine Schatulle alle Macht an sich ziehen, damit sie ihm zu Gebote stünde. Doch dann wurde Leuchmadans Verbindung zu dem Kästchen auf geheimnisvolle Weise unterbrochen. Jetzt muss er es erst wieder in die Hand bekommen, bevor er sich der Macht darin bedienen kann.
In der Zwischenzeit konnte er nicht einmal den letzten Zauber aufheben, den er darauf gewirkt hat. So zehrt und zieht es noch heute die Lebenskraft aus dem Land und sammelt sie. Bedenket, all die Macht, die nötig wäre, um die Grauen Lande auf tausend Jahre grün und fruchtbar zu machen, ist inzwischen in diesem Kästchen verwahrt!
Sollten allerdings Leuchmadans Feinde das Kästchen zerstören, ginge die darin gesammelte Lebenskraft auf immer verloren. Alle Opfer der Grauen Lande wären umsonst gewesen. Schlimmer noch: Da es nur in der Quelle des Blutes vernichtet werden kann, würde alle darin gesammelte Lebenskraft mit einem Mal freigesetzt. Durch ein solches Übermaß an Magie würde das Blut der Erde vergiftet, und die Grauen Lande blieben auf Dauer aller Lebenskraft beraubt. Auch deshalb ist es so wichtig, dass wir Leuchmadans Herz zurückbringen.«
»Und wenn wir es zurückbringen«, fragte Wito, »kann dann die Lebenskraft der letzten Jahrhunderte zurückgegeben werden und die Grauen Lande grün machen?«
Daugrula zuckte die Schultern. »Vermutlich. Wenn derjenige, der die Macht über das Kästchen erlangt ... wenn Leuchmadan die Kraft darin auf diese Weise zu nutzen gedenkt.«
Ein lautes Gähnen erklang hinter ihnen. Gibrax beschirmte die Augen vor der aufgehenden Sonne und zog sich langsam in die Höhle zurück.
Werzaz meldete sich wieder zu Wort: »Was soll dieses Elfengeschwätz von Grün und Zauberei, Albe. Erzähl uns lieber von Leuchmadans Herz, vom kostbaren Schatz unseres Meisters! Bisher haben wir nur von dem Kasten gehört, in dem es liegt.«
»Mehr werdet ihr auch nicht zu sehen bekommen«, sagte Daugrula. »Denn, wie ich schon sagte, das Kästchen lässt sich nicht öffnen. Aber da das Herz die besondere Gabe des Besitzers widerspiegelt, kann jeder Zauberkundige erschließen, wie es beschaffen ist. Das Herz unserer Herrin Geliuna beispielsweise ist aus Gold. Und Leuchmadans Herz ist ein Stein, und das muss ein wahrhaft gewaltiger Edelstein sein!«
»Ich glaube nicht, dass die Menschen an Geliuna denken, wenn sie von einem ›Herz aus Gold‹ sprechen, hörte Wito hinter sich Skerna flüstern. Sie und Darnamur kicherten leise. Werzaz' Augen aber strahlten.
»Ein fetter Edelstein!«, zischte er. »Ja! Das ist unseres Meisters würdig. Wenn ich Leuchmadan sein Herz zurückbringe, werde ich mir als Gnade erflehen, dass er mich diesen Stein sehen lässt. Ich werde ihn anbeten und küssen. Das Herz unseres Gottes ist der mächtigste Edelstein der Welt!«
»Also, ich würde mein Herz nicht in die Nähe dieser Zähne bringen«, bemerkte Skerna.
Werzaz sprang auf, jäh aus der andächtigen Stimmung gerissen. »Das würde ich dir auch nicht raten, du Sack voll Unrat!«
Er trat einen Schritt auf Skerna zu, aber der Platz war zu eng, und er kam nicht bis zu ihr. Stattdessen versetzte er Wito eine Backpfeife und stapfte wütend in die Höhle.
Ohne hinzusehen streckte Wito die Hand nach hinten und hielt Darnamur zurück. Er wusste, wie sein Gefährte reagieren würde. Witos Kopf dröhnte, aber er wollte sich nicht ablenken lassen und mehr von der Albe erfahren, solange sie in redseliger Stimmung war. »Ihr habt uns weit mehr erzählt, als wir für unseren Auftrag wissen müssen«, sagte er. »Warum?«
Daugrula blickte Wito an. Ihre Augen waren groß, schwarz und leer wie unergründliche Brunnenschächte. »Weil am Ende dieser Reise womöglich eine Entscheidung getroffen werden muss.«
Sie beugte sich vor, und ihre Stimme wurde leiser. »Jeder hier hat seine eigenen Beweggründe, und wenn ich zugegen bin, treffe ich meine eigene Entscheidung. Aber wenn nicht, dann muss die richtige Entscheidung dennoch getroffen werden. Und wer soll das tun? Werzaz oder Gibrax?«
»Oder Baskon«, sagte Wito. »Ich bin nur
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