Gefährtin der Dämmerung
sprach. Selbst die Zuschauer blieben stumm. Dann trat Mencheres in die Mitte und wandte sich den erwartungsvollen Gesichtern im Publikum zu.
Er trug eine ägyptische Tunika, ganz in Weiß, und um die Hüfte einen Gürtel, der bestimmt aus purem Gold war, darauf hätte ich meinen Arsch verwettet. Weitere Goldringe schlangen sich um seine Oberarme, und selbst seine bleiche Haut hatte einen leichten Goldschimmer. Er musste sich mit Goldpuder bestäubt haben. Mit seinem langen, dunklen, offenen Haar, das nur von einem dünnen Lapislazulireif aus der Stirn gehalten wurde, sah er aus, als wäre er eben einem antiken Fresko in ei nem Pharaonengrab entstiegen. Verdammt, ich hätte schwören können, dass er tatsächlich auf einem Fresko in irgendeinem Pharaonengrab abgebildet war.
»Ihr alle seid hier versammelt, um zu bezeugen, wie ich mich einem Bund verschreibe, der nur durch den Tod aufgehoben wer den kann. Ich gelobe, dass von dieser Nacht an Bones' Leute auch meine Leute sind, so wie meine Leute die seinigen sein werden.
Zum Beweis meiner Aufrichtigkeit soll dieser Pakt mit meinem Blut besiegelt werden. Sollte ich ihn je brechen, soll es auch zu meiner Strafe fließen. Crispin, der du dich Bones nennst, nimmst du mein Angebot an, unsere beiden Sippen zu vereinen?«
Bones drückte noch einmal meine Hand, dann trat er neben den Vampir. »Ja, ich nehme es an.«
Mencheres legte eine Pause ein, vielleicht um den dramati schen Effekt zu verstärken. »Und wie willst du deine Aufrich tigkeit unter Beweis stellen?«
Bones antwortete mit fester Stimme. »Mit meinem Blut, es soll auch zu meiner Strafe fließen, wenn ich unseren Pakt je breche.«
Für gewöhnlich hätten sich die beiden Vampire jetzt einfach die Handflächen aufgeritzt, ihren Pakt mit einem förmlichen Handschlag besiegelt, und die Sache wäre erledigt gewesen.
Ganz ähnlich wie bei einer vampirischen Hochzeitszeremonie.
Aber heute Abend würde mehr vonstattengehen, als die Gäste ahnten. Allen war klar, dass Bones und Mencheres ihre Sippen vereinigen wollten, aber jetzt kam das Wesentliche. Die Macht übertragung. Nur die auf der Plattform Versammelten zeigten sich nicht überrascht, als Mencheres auf den traditionellen blu tigen Handschlag verzichtete und sich stattdessen über Bones'
Hals beugte.
Im Publikum entstand Unruhe. Man hatte wohl begriffen, was hier geschehen sollte. In der dritten Reihe hörte ich Ian hundsgemein fluchen und lächelte. Oh oh, war da etwa jemand beleidigt?
Es blieb nicht bei Ian. Aus der Menge, die auf Mencheres' Seite des Saales stand, meldeten sich weitere unzufriedene Stimmen zu Wort. Vermutlich diejenigen, die gehofft hatten, eines Tages selbst an Bones' Stelle zu sein. Auch ein Grund, weshalb wir die Wachen dabeihatten. Konnte ja sein, dass es der eine oder andere nicht bei verbalen Unmutsbekundungen bewenden ließ.
Mencheres trank ungerührt weiter an Bones' Hals. Als er schließlich von ihm abließ, sah ich, dass Bones ein kleines biss chen wacklig auf den Beinen war. Wird ein Vampir ausgesaugt, macht ihn das schwächer, und wie es aussah, hatte Mencheres ordentlich reingehauen.
»Mein Wort, besiegelt mit meinem Blut«, krächzte Bones.
»Aus freien Stücken gegeben und angenommen.«
Als Nächster neigte Mencheres den Kopf, und Bones grub die Zähne in die dargebotene Kehle des Vampirs.
Diesmal war es anders. Etwas in der Atmosphäre veränder te sich. Eine unsichtbare Spannung im Raum nahm zu. Stati sche Elektrizität schien von den beiden Gestalten in der Mit te der Plattform auszugehen, und ich stutzte und rieb mir die Arme, als hätte ich einen Schlag bekommen. Das war sie also, die Machtübertragung. Bones hatte mir erzählt, Mencheres müsse die Energie aus seinem Blut herauszwingen; man konn te sie ihm nicht einfach stehlen, indem man ihn aussaugte. Vor meinen Augen begann die Haut des ägyptischen Vampirs auf unheimliche Weise von innen heraus zu leuchten, als wollten Sterne aus ihr hervorbrechen.
Über uns wurde es plötzlich unruhig. Offenbar wollte je mand handgreiflich werden oder sich aus dem Staub machen.
Spade gab ein knappes Kommando, und einige Vampire, die sich bis dahin versteckt gehalten hatten, ließen sich wie todbringen de Spinnen vom Dach herunter. Nachdem sie sich auf das kleine aufgebrachte Grüppchen herabgesenkt hatten, endete der Auf ruhr so schnell, wie er begonnen hatte.
Bones trank noch immer, ignorierte alles um sich herum und begann allmählich wieder sicherer auf den
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