Gefährtin der Dämmerung
ihre moralischen Prinzipien anbelangte, waren sich die beiden ähnlicher, als sie je zugegeben hätten.
Aber wie Bones bereits gesagt hatte, gab es im Augenblick Dringenderes zu tun. Fünf Meter entfernt waren da zum Bei spiel die beiden äußerst unglücklichen Vampire, die Bones mit gebracht hatte. Ich blitzte sie aus schmalen Augen an. Da hatten sie doch tatsächlich versucht, den Mann in die Luft zu jagen, den ich liebte. Wie töricht von ihnen.
II
Wir standen am hinteren Ende des Rasens vor den noch schwe lenden Überresten des Hauses. Die Feuerwehr war angerückt.
Die Polizei auch, aber diesmal mussten Juan und Tate nicht erst ihre Beziehungen spielen lassen. Es waren genug Vampire da, die die Rettungskräfte durch Hypnose dazu bringen konnten, sich erst um die Löscharbeiten zu kümmern und die Fragen ...
gar nicht erst zu stellen.
Aus diesem Grund hatte sich, trotz lautestem Wehgeschrei seitens der sechs Brandstifter, auch kein einziger Polizist in unsere Nähe verirrt. In höchster Bedrängnis hatten die ersten beiden Vampire schließlich die Namen ihrer vier Komplizen ausgespuckt, sodass wir diese auch hatten fassen können. Un terdessen war es aus offensichtlichen Gründen, vereinzelten Protesten zum Trotz, keinem der Gäste gestattet gewesen, das Gelände zu verlassen. Nach zweistündiger »Befragung« beka men wir schließlich heraus, dass eine Vampirin namens Patra Urheberin des Anschlags war.
Und wie nicht anders zu erwarten, war diese Patra auch Max'
mysteriöse Gönnerin, auch wenn ich nach wie vor keine Ah nung hatte, wer sie war, geschweige denn, warum sie meinen Tod wollte.
Bei Erwähnung des Namens wandte sich Bones abrupt Men cheres zu und starrte ihn an. Der Ägypter schloss die Augen mit einem Ausdruck, den man vielleicht als schmerzlich hätte bezeichnen können.
»Lass mich raten«, sagte ich, die Reaktionen der beiden mit Besorgnis zur Kenntnis nehmend. »Wir sprechen hier von einer sehr alten und mächtigen Vampirin?«
Bones wandte seinen Blick wieder mir zu. »Ja. Eine über zweitausendjährige Meisterin. Mencheres, du weißt, was das bedeutet.«
Die Tunika des anderen leuchtete nicht länger weiß, und der schöne Goldstaub auf seiner Haut war durch Asche ersetzt wor den. Aschfahl war auch sein Gesicht.
Er schlug die stahlgrauen Augen auf, und was auch immer er gefühlt haben mochte, lag nun hinter einer undurchdringlichen Maske verborgen.
»Ja. Es bedeutet Krieg.«
»Diejenigen unter euch, die weder Mencheres' noch mei ner Sippe angehören«, gab Bones mit lauter Stimme bekannt,
»müssen jetzt ihre Wahl treffen. Ihr könnt bleiben und euch mit uns verbünden oder euch auf Patras Seite schlagen und ge hen. Nur heute Nacht bekommt ihr freies Geleit. Sollte ich euch oder einen der Euren noch einmal ungebeten in meiner Nähe antreffen, töte ich ihn.«
Mencheres kam an seine Seite. »Entscheidet euch«, sagte er nur.
Bei manchen hatte von vornherein festgestanden, dass sie sich auf unsere Seite schlagen würden. Spade war schon in Be wegung, bevor die letzten Worte gefallen waren. Rodney gesell te sich ebenfalls zu uns, genau wie einige andere bedeutende Vertreter der pulslosen Gesellschaft. Auch ein paar mir unbe kannte Vampire und Ghule schlossen sich uns an, entweder weil sie Bones und Mencheres gegenüber loyal waren oder weil sie Angst vor ihnen hatten.
Einige taten sich nicht so leicht.
Manche glitten in die Dunkelheit davon, wortlos, aber de monstrativ. Es gab auch Unentschlossene, die abwarten woll ten, wer blieb und wer ging, bevor sie sich für eine Seite ent schieden. Am meisten überrascht war ich, als Ian, seinen Leu ten voran, mit einem kurzen Nicken zu Bones trat. Ich war mir sicher gewesen, dass er den langen Weg in die Nacht antreten würde. Schließlich hatte Bones ihm in den vergangenen Mo naten zweimal die Schau gestohlen. Ich warf Bones einen Blick zu und formulierte in Gedanken einen einzigen Satz: Ich traue ihm nicht.
Er reagierte nur mit einem angedeuteten Schulterzucken.
Am Ende hatten sich etwa siebzig Prozent der unabhängi gen Meister auf unsere Seite geschlagen. Das musste allerdings nichts bedeuten. Schließlich wusste niemand, wer von denen, die sich heute für uns entschieden hatten, auch wirklich für uns war. Das würde sich erst mit der Zeit herausstellen.
Nachdem sie ihre Treue geschworen hatten, verschwanden die Untoten aus der Brandruine. Hoffentlich war Mencheres versichert; immerhin hatte er durch die Explosion einen Hau fen
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