Gefährtin der Dämmerung
Megaphon bekannt geben können. Also sah ich zu, wie Bones die Frau so leidenschaftlich küsste, dass sich mir die Nägel in die Handflächen gruben. Es ist nur gespielt, ich muss ja auch manchmal Zielpersonen verführen, sagte ich mir stumm vor.
Mein Schmerz allerdings war echt, und ich fragte mich, wie Bones es aushielt, wenn unsere Rollen vertauscht waren und ich es war, die anderen Männern Zungenküsse gab und mit ih nen herumfummelte. Wenigstens packte er Priscillas Hand, um ihr Einhalt zu gebieten, als die Schlampe sich gerade zwischen seinen Beinen zu schaffen machen wollte.
»Bald, Süße, nach dem Essen«, versprach Bones ihr mit sinn lich gurrender Stimme. »Wäre doch schade, wenn ich nicht bei der Sache wäre, oder?«
Bones wirbelte sie zurück zu unserer kleinen Gruppe.
»Das ist William«, verkündete er mit einem Nicken in Rich tung Dave, den ich noch immer umarmt hielt. »Die beiden an deren sind nicht weiter erwähnenswert«, schloss er, indem er auf Tate und mich deutete.
Priscilla ließ einen Finger über seine Brust gleiten. »Wie heißt du eigentlich? Das hast du mir noch gar nicht verraten.«
Er führte ihre Hand an seine Lippen. »Das sage ich dir hin terher.«
Wieder biss ich die Zähne zusammen, sagte aber nichts.
»Kommt mit«, forderte Priscilla uns auf. »Hier geht's lang.«
Jetzt kommt uns seine lockere Moral von früher endlich mal gelegen, dachte ich finster, als wir uns dem Eingang des Ge heimzimmers näherten. Den hätten wir lange suchen können.
Er lag versteckt unter der unbenutzten Bar in der hintersten Ecke. Man trat hinter eine Trennwand und hob eine Theken-Attrappe an, unter der eine Treppe zum Vorschein kam, die in den Keller führte. In dem Zimmer unter dem engen Durchgang hörte man ein Wummern, dessen Lautstärke zunahm, als wir näher kamen; doch der Lärm der Gäste und der Musik über tönte die Geräusche, die nach oben drangen.
»Willkommen.« Priscilla öffnete lächelnd die Tür. »Im ech ten Marquis.«
Der Raum war nicht groß, aber vollgestopft mit den selt samsten Gerätschaften. Blutige Handschellen baumelten von den Wänden. Wir passierten Folterbänke aller Art, wie ich sie mir bisher nicht im Traum ausgemalt hätte, ausgerüstet mit Riemen und Schnallen, die vom dauernden Gebrauch schon ganz abgewetzt waren. Ein Rad? Ich wollte gar nicht wissen, wozu das gut war.
Das Wummern, das wir gehört hatten, kam von einem Pärchen, das, an einen Stahlpfosten gefesselt, ausgepeitscht wur de. Die beiden hatten ihrem Peiniger den Rücken zugewandt, krachten bei jedem Schlag mit der Stirn gegen den Pfosten und schienen die Behandlung kein bisschen zu genießen.
Der Folterknecht unterbrach sein gemessenes Stakkato, um zu uns aufzusehen. Er war ein Vampir, seiner Aura nach unge fähr zweihundert Jahre alt.
»Was bringst du mir denn da, Priscilla?«
Ein weiterer Vampir hatte es sich auf der Couch in der Nähe bequem gemacht und bediente sich am Hals einer bewusstlosen Frau auf seinem Schoß.
»Gäste, Anre«, sagte sie.
Der Blick seiner sherryfarbenen Augen wandte sich mir zu.
»Die nehme ich. Es wird mir ein Genuss sein, ihre makellose Haut zu zeichnen.« Dann wandte er sich Bones zu. »Du kommst mir bekannt vor, kennen wir uns?«
Bones schenkte ihm ein kühles Lächeln. »Flüchtig, um 1890
sind wir uns schon einmal in London über den Weg gelaufen, als ich einen Typen namens Renard gesucht habe. Erinnerst du dich an mich? Ich habe mir seinen Kopf genommen und den Rest für dich liegen lassen.«
Anre ließ die Peitsche sinken. Auf seinen Zügen machte sich Erkennen breit, dann warf er Priscilla einen bitterbösen Blick zu.
»Blöde Kuh, weißt du, wer das ist?«
Priscilla sah verwirrt zu Bones. Die Zeit, in der sie abgelenkt war, verschaffte mir die Chance - und die große Genugtuung -, sie niederzuschlagen und ihr meinen Silberabsatz ins Herz zu rammen.
»Die ist mir das letzte Mal auf die Nerven gegangen«, sagte ich einfach so in den Raum hinein.
Der Vampir auf der Couch hatte alles mit Sorge beobachtet und erstarrte nun, über den Hals seines Opfers gebeugt. Ihn knöpfte ich mir als Nächstes vor. Ich entriss ihm das Mädchen, warf es Dave zu und rammte dem Vampir mit voller Wucht meinen Kopf in den Magen. Einen Augenblick lang war er völ lig perplex. Zeit genug für mich, ihm meinen Absatz ins Herz und durch den gesamten Oberkörper zu stoßen.
Anre wollte zurückweichen, konnte aber nirgendwohin. Tate und Dave waren hinter ihm, Bones und
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