Gefährtin der Dämmerung
dauernd von einer Horde Vampire umgeben ist. Du hast uns hierher ge bracht, weil du offensichtlich der Meinung bist, dass wir hier in Sicherheit sind. Ich kann mir also ein bisschen die Beine ver treten.«
Hinter mir brach empörtes Gemurmel aus. Ich streckte nur den Mittelfinger hoch und ging weiter.
Die Kiefern standen stellenweise sehr dicht. Fährten im Schnee zeigten, dass dieser eisige Flecken von den verschiedensten Krea turen bewohnt war, aber zu dieser Stunde war alles still.
Während ich lief, dachte ich an den Abend, an dem ich Bones zum ersten Mal gesehen hatte. Über einen Tisch gebeugt in ei nem Nachtclub. Das Licht, das auf seinem Haar geschimmert hatte. Wie er mir auf den Kopf zugesagt hatte, dass ich ihm et was vormachte, als ich mit ihm, unter dem Vorwand, ihn ab schleppen zu wollen, zu einem See gefahren war. Wie ich an gekettet in einer Höhle zu mir gekommen war und er mich mit seiner Tweety-Imitation verspottet hatte. Sein Gesicht, als er meine Augen zum ersten Mal hatte leuchten sehen und be griff, dass ich wirklich das war, was ich zu sein behauptete. Sein selbstgefälliges Grinsen, als ich ihn zu einem Kampf auf Leben und Tod herausgefordert hatte. Unser erster Kuss. Der erste ge meinsame Sex. Und die Art, wie er mich angelächelt hatte, als ich ihm zum ersten Mal meine Liebe gestand ...
Mein schneller Marsch führte mich meilenweit weg. Als ich die Felswand sah, kletterte ich einfach hinauf, ohne groß nach zudenken. Der Stand des Mondes zeigte mir, dass bis zum Son nenaufgang noch eine knappe Dreiviertelstunde Zeit war. Bald darauf würden meine Mutter und Denise eintreffen. Ich wollte sie nicht sehen. Ich wollte niemanden sehen.
Etwa zwanzig Minuten lang kletterte ich, bis ich einen Fels vorsprung fand, der breit genug war, dass ich darauf sitzen konnte. Ein Windstoß brachte mich dazu, mir die Hände zu rei ben, und der rote Diamant fiel mir ins Auge. Mein Verlobungs ring für eine Hochzeit, die nie stattfinden würde.
Ich stand auf und starrte in den Abgrund. Die Felsen da un ten hatten eine hypnotische Wirkung auf mich, sie kamen mir gar nicht weit entfernt oder bedrohlich vor. Einen Augenblick später schlossen sich meine Augen, und ich ertappte mich dabei, wie ich einen Schritt nach vorn machte. Und dann noch einen.
»Muss schwer für dich sein.«
Beim ersten Wort öffnete ich schlagartig die Augen. Vlad saß auf einem Felsvorsprung etwa zehn Meter unter mir und be obachtete mich.
»Ja, es ist schwer für mich, dass der Mann, den ich geliebt habe, tot ist. Bist ja ein richtiger Blitzmerker.«
Vlad erhob sich. »Oh, das habe ich gar nicht gemeint. Ich meinte, es muss schwer für dich sein, nicht genau zu wissen, was du bist. Das Problem hatte ich nie. Als ich zum Vampir wurde, wusste ich, dass ich nie wieder ein Mensch sein konnte.
Du aber wachst jeden Tag auf und kannst deiner Menschlichkeit nicht entkommen. Wie gesagt, muss schwer sein.«
Was laberte der da eigentlich? »Ich habe gesagt, ich will allein sein, Vlad. Hau ab.«
»Das ist nicht der eigentliche Grund, aus dem du hier bist, Catherine.«
»Nenn mich nicht so«, sagte ich aus Gewohnheit, dann schüttelte ich den Kopf. Als wäre es noch von Bedeutung, wie er mich nannte.
Er warf mir einen verächtlichen Blick zu. »Warum nicht?
Auf dem Felsvorsprung steht Catherine Crawfield, nicht Cat, die Gevatterin Tod. Catherine hat keine Verpflichtungen, kei ne Verantwortung, und sie hat beschlossen, ihrem Mann in den Tod zu folgen. Am Ende hast du dich wohl doch für deine menschliche Seite entschieden. Interessant.«
»Das stimmt nicht«, fauchte ich und unterbrach mich dann.
Nicht? Ich war in der Eiseskälte losgelaufen, eine Felswand hochgeklettert und stand nun schwankend mit geschlossenen Augen am Abgrund. Ein Sturz aus dieser Höhe würde mir ver mutlich den Kopf zertrümmern, sodass ich weder als Ghul noch als sonst irgendwas wieder zum Leben erweckt werden könnte.
Wem wollte ich etwas vormachen ? Schon als ich aus dem Heli kopter gestiegen war, hatte mein Plan festgestanden, auch wenn ich es bis jetzt geleugnet hatte.
Du könntest es tun, der Gedanke war verlockend. Don wird sich um deine Mutter kümmern, dein Team ist mit zwei Vam piren und einem Ghul an der Spitze bestens versorgt, Denise hat Randy ...es ist nicht wie damals, als du Bones verlassen hast und Leute von dir abhängig waren. Du kannst zu ihm ge hen. Du bist bereit.
»Du bist bereit, Catherine?«, stichelte Vlad, mich wieder bei meinem alten
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